Kein Grund zur Entwarnung: Paritätische Studie belegt dramatische Kinderarmut durch Hartz IV

Berlin (ots) – Vor einer Verhärtung der Kinderarmut in Deutschland auf hohem Niveau warnt der Paritätische Wohlfahrtsverband in einer neuen Studie. Der Verband fordert eine arbeitsmarktpolitische Kehrtwende, die bessere Unterstützung von Alleinerziehenden sowie eine Totalreform der Hartz IV-Leistungen für Kinder.

„Es gibt keinen Anlass zum Jubel. Wir haben in Deutschland nach wie vor eine skandalös hohe Kinderarmut. Die gute Arbeitsmarktentwicklung kommt bei Kindern in Hartz IV kaum an“, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Zwar zeichne sich in allen ostdeutschen Bundesländern ein deutlich positiver Trend ab, doch verharre der Anteil armer Kinder bundesweit seit Einführung von Hartz IV auf fast gleichbleibend hohem Niveau: Jedes siebte Kind unter 15 Jahre lebe von Hartz IV, in Ostdeutschland sogar jedes vierte. Besonders besorgniserregend sei die Entwicklung im Ballungsraum Ruhrgebiet, wo die Kinderarmut seit Jahren stetig ansteigt. „Die Hartz IV-Quote im Revier liegt mit 25,6 Prozent mittlerweile höher als in Ostdeutschland, Gelsenkirchen steht mit einer Quote von 34,3 Prozent schlechter da als Berlin“, warnt Schneider. Die Entwicklung in Städten wie Mülheim oder Hamm mit Zuwächsen von bis zu 48 Prozent in fünf Jahren komme einem armutspolitischen Erdrutsch gleich, der nicht länger ignoriert werden dürfe.

Nach der Studie, die auch Ländertrends abbildet, sind kinderreiche Familien und Alleinerziehende besonders gefährdet, und zwar unabhängig von ihrem Wohnort oder wirtschaftlichem Umfeld. Selbst im wirtschaftsstarken Baden-Württemberg lebe jede dritte Alleinerziehende mit ihren Kindern von Hartz IV. Scharfe Kritik übt der Verband in diesem Zusammenhang an der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung: „Durch die aktuellen Kürzungen drohen insbesondere auch Alleinerziehende und ihre Kinder zu Opfern einer neuen Zwei-Klassen-Arbeitsmarktpolitik zu werden. Der Fokus auf den Ausbau der Kinderbetreuung greift zu kurz. Die Hälfte der Frauen hat keinen Berufsabschluss. Ohne passgenaue Hilfen bei der Qualifizierung und ohne öffentlich geförderte Beschäftigungsangebote wird man den meisten Alleinerziehenden im Hartz IV-Bezug nicht helfen können“, so Schneider.

Neben einer arbeitsmarktpolitischen Kehrtwende fordert der Paritätische eine Reform des Kinderzuschlags sowie der Hartz IV-Leistungen selbst: „Wir brauchen eine kräftige Erhöhung der Kinderregelsätze, eine echte schulische Bildungsoffensive sowie einen Rechtsanspruch für einkommensschwache Kinder auf Teilhabe – vom Sportverein über die Musikschule bis zur Ferienfreizeit mit dem Jugendclub.“

Details finden Sie im Internet unter: www.der-paritaetische.de/armekinder

Saure Gurke geht an Amazon

Bonn – Alljährlich zu Aschermittwoch  verleiht die Gewerkschaftliche Erwerbslosengruppe im DGB Bonn / Rhein-Sieg die „Saure Gurke“, um damit eine öffentlich wirkende Persönlichkeit auszuzeichnen, die sich im zurückliegenden Jahr durch einen hervorragenden Beitrag zur „Beleidigung, Ausgrenzung oder weiteren Verschlechterung der sozialen Lage der Erwerbslosen“ hervorgetan hat. In diesem Jahr wurde der Online-Versandhändler AMAZON ausgezeichnet. Amazopn war im vergangen Jahr wegen seiner fragwürdigen Praktika massiv in die öffentliche Kritik geraten.

 

Herr Armin Cossmann

Regional Director Operations bei Amazon.de

Amazonstr. 1

04347 Leipzig

 

 

Sehr geehrter Herr Cossmann,
hiermit verleiht Ihnen die Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB-Kreisverband Bonn / Rhein-Sieg aus Anlass unseres elften arbeitsmarktpolitischen Aschermittwoches vor der Bonner Agentur für Arbeit die „Saure Gurke“. Wir überreichen Ihnen diese Auszeichnung in der Anlage (siehe Tupperdose). Sie haben sich den Preis durch Ihre offensive Ausnutzung der Notlage von Erwerbslosen mittels der Praxis kostenloser „Einarbeitungs-Praktika“ unter geschickter Ausnutzung öffentlicher Förderpolitik diverser Jobcenter redlich verdient. Letztere tragen insoweit für diese Praktiken Mitverantwortung, ebenso für die Verfestigung und Ausweitung der betont deregulierten und miesen Arbeitsbedingungen der Logistikzentren von Amazon.

Alljährlich zu Aschermittwoch verleiht die Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB Kreisverband Bonn / Rhein-Sieg die „Saure Gurke“, um damit eine öffentlich wirkende Persönlichkeit auszuzeichnen, die sich im zurückliegenden Jahr durch einen hervorragenden Beitrag zur „Beleidigung, Ausgrenzung oder weiteren Verschlechterung der sozialen Lage der Erwerbslosen“ hervorgetan hat (vgl. Geschäftsbericht 2001-2005 des DGB Bonn / Rhein-Sieg / Oberberg, S. 51). Die Preisträgerin für das Jahr 2010 war Bundesministerin Ursula von der Leyen. Auch Gerhard Schröder, Wolfgang Clement, Michael Rogowski, Dr. Peter Hartz, Franz Müntefering und Dr. Dieter Hundt gehörten schon zu den Preisträgern. Sie sehen, Sie befinden sich in prominenter Gesellschaft. Sie erhalten den Preis der „Sauren Gurke“ für das Jahr 2011 aus folgenden drei Gründen:
1. Nach den Kriterien unserer Jury hat sich der Versandhandel von Amazon Deutschland durch die Praxis preiswürdig erwiesen, insbesondere zu Boom-Zeiten wie der Vorweihnachtszeit 14-tägige unbezahlte Praktika vor eine Arbeitsaufnahme vorzuschalten. Dabei hat sich Amazon den eingesparten Lohn der Erwerbslosen über das jeweils zuständige Jobcenter als „Maßnahme zur Aktivierung und Wiedereingliederung“ bezahlen lassen. Diese Praxis hat in 2011 insbesondere an den Logistikzentren in Werne und Rheinberg, früher aber auch an den Logistikzentren Graben, Bad Hersfeld und Leipzig,  stattgefunden. Von dieser obligatorische Vorschaltung lohnloser „Einarbeitungsphasen“ – bei einem vergleichsweise einfachen Tätigkeitsspektrum – haben Sie in nachgewiesenen Fällen auch nicht abgelassen, wenn diese schon im selben Logistikzentrum von Amazon gearbeitet hatten, vgl. Pressemitteilung des Erwerbslosen-Forums vom 21.11.2011 (1). Auch wenn Sie damit eine Gesetzeslücke ausnutzen (2), bewerten wir diese Praxis eindeutig so, dass Sie die Not- und Zwangslage von Erwerbslosen für betriebliches Lohndumping missbraucht haben. Zudem kann die Beschäftigungsperspektive, die Sie als Hintergrund für die Eingliederung in Arbeit von Erwerbslosen angeben, so gehaltvoll und stabil nicht sein. Auf die Frage von Spiegel online vom 01.12.2011 (3), wie viele der 10.000 Saisonarbeitskräfte in 2011 „unbefristet übernommen werden“, antworteten Sie: „Erfahrungsgemäß werden pro Standort mehrere Hundert Mitarbeiter nach der Saison weiterbeschäftigt“. Sie haben damit nicht auf die Frage geantwortet, ob unbefristet beschäftigt bzw. Erwerbslose „dauerhaft in Arbeit integriert“ werden oder doch nur überwiegend befristet bzw. kurzfristig kündbar.

Wir wollen nicht verschweigen, dass nach unserer Auffassung an dieser von den Amazon Logistikzentren in Deutschland geübten Praxis von Mitnahmeeffekten nur die Spitze eines Eisberges auf dem Arbeitsmarkt sichtbar wird: Dies ist eine Fehlentwicklung, die der Öffnung für prekäre und atypische Beschäftigungsmodelle durch die sog. Hartz-Reformen zu verdanken ist. Unter dieser Fehlentwicklung leiden Erwerbslose um so häufiger und härter, da sie durch die Sanktionspolitik der Arbeitsverwaltung zu prekärer Arbeit gezwungen werden können.
2. Entgegen Ihren Bekundungen in Spiegel-Online vom 01.12.2011 (3), dass Saisonarbeiter – „pro Standort werden mehrere Hundert Mitarbeiter weiter beschäftigt“ – einen festen Arbeitsplatz erhalten, sah die Realität beispielsweise am Standort Bad Hersfeld völlig anders aus. Dort hatten von Januar bis September 2011 von 3.700 MitarbeiterInnen 2.100 nur einen befristeten Arbeitsvertrag, ab September bis Weihnachten waren sogar ca. 80 % des Personals befristet. Allerdings wurden laut einem Mitarbeiter von Verdi/Hessen am Standort Bad Hersfeld erst ab Januar 2012 1.170 Saisonkräfte aus dem Weihnachtsgeschäft unbefristet übernommen. Es fällt dabei aber auf, dass darunter überwiegend jüngst eingestellte Personen sind, die erst nach einer Beschäftigungszeit von 6 Monaten unter den Kündigungsschutz fallen. Selbst „Co-Workers“, wie Vorarbeiter bei Amazon heißen (4), werden nur befristet beschäftigt.

Während bei vergleichbaren Arbeitgebern im Versandhandel Mitarbeiter den Tariflohn im Einzel- und Versandhandel zwischen 11,47 und 11,94 Euro erhalten, zahlen Sie Ihren Mitarbeitern lediglich zwischen 9,65 und 11,12 Euro. In den neuen Ländern sind es z.B. am Standort Leipzig zu Beginn nur 7,76 und am Ende 8,65 Euro. Selbstverständlich ist von 2006 bis September 2011 bei allen Logistikzentren von Amazon keine Lohnerhöhung erfolgt (5). Es verwundert auch nicht, dass Sie Ihren Mitarbeitern generell Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen sowie tarifliche Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit und Einmalzahlungen vorenthalten (6). Auch andere Arbeits- und Vertragsbedingungen sind teilweise rechtlich mehr als bedenklich, denn „laut Arbeitsvertrag kann Amazon während der ersten drei Monate den Vertrag mit einer Frist von einem Tag kündigen. Nach Ablauf der ersten drei Monate beginnt dann erst die sechsmonatige Probezeit“ (7). Zudem wurden MitarbeiterInnen in Rheinberg unter Androhung der Kündigung gezwungen sieben Tage die Woche zu arbeiten (8). Unmenschlich sind auch Kontrollsysteme, die für das Aufsuchen der Toilette eine Abmeldung erforderlich machen oder Versuche, private Ge-

spräche am Arbeitsplatz zu untersagen (9).

3. Nicht unerwähnt lassen wollen wir auch einige problematische Geschäftspraktiken Ihres Unternehmens: Den Vorwurf, den Sozialstaat auszunutzen, der Erwerbslosen pauschal gemacht wird, reichen wir Amazon aus guten Grund weiter! Fast 1 Million Euro, die Sie durch Ihre Praxis der unbezahlten Praktika für Erwerbslose im Jahre 2010 laut der Regionaldirektion NRW der Arbeitsagentur an Löhnen gespart haben (10), ging zu Lasten des Steuer- und Beitragzahlers. Während hier Gelder für die Subventionierung von Amazon ausgegeben wurden, ohne dass die betroffenen Erwerbslosen eine realistische Aussicht auf eine langfristige und existenzsichernde Arbeit bekamen, fehlten diese u.a. für durchaus aussichtsreich erscheinende Weiterbildungs- und Umschulungsmöglichkeiten bei den Arbeitsagenturen. Tief in die Tasche greifen musste der Steuerzahler auch, als Amazon seine wirtschaftliche Macht als Großunternehmen bei der Standortpolitik ausspielte – so war z. B. offensichtlich jüngst das „Absahnen-Können“ von Landesmitteln und regionalen Mitteln der Wirtschaftsförderung ein gewichtiger Grund, sich in Koblenz und Pforzheim niederzulassen (11). Ein Langzeiterwerbsloser hat dagegen kaum mehr die Chance, an Gelder für eine Existenzgründung zu kommen, während sich Lokalpolitiker von der Aussicht auf vermeintliche Arbeitsplätze bei Amazon blenden lassen.

Aber auch die Praktiken Ihrer Firma, ausgedehnt mit Fristverträgen zu operieren und die Tariflöhne des Einzel- und Versandhandels zu unterlaufen, kommen nicht nur die Betroffenen teuer zu stehen – einem Packer bei Amazon entgehen einschließlich Wechselschichtzulage laut Verdi bis zu 4.228 Euro im Jahr! – (12), sondern die gesamte Gesellschaft, wenn man bedenkt, wie viele Sozialabgaben dadurch verloren gehen und welche Kosten entstehen, wenn dann später die Rente womöglich nicht reicht.

Diese sowohl für Erwerbslose als auch für Ihre Beschäftigten und letztlich für alle Bürger unakzeptablen Geschäftspraktiken sind ein weiterer guter Grund, Ihnen die diesjährige „Saure Gurke“ zu verleihen. Wir wünschen Ihnen einen guten Appetit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB Kreisverband Bonn / Rhein-Sieg

Kontakt: Horst Lüdtke, Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB Kreisverband Bonn / Rhein-Sieg, c/o Gewerkschaft Erzie-

hung und Wissenschaft StV Bonn, Endenicher Str. 127, 53115 Bonn, www.arbeitslos-bonn.de

info@arbeitslos-bonn.de

(1) Pressemitteilung des Erwerbslosenforums.de vom 21.11.2011 

(2) www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,8000166,00.html

(3) www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,800778,00.html

(4) siehe (1)

(5) http://www.amazon-verdi.de/hintergrunde/

(6) http://www.verdi.de/themen/arbeit/++co++3331a3c2-ffbc-11e0-4aa8-0019b9e321cd

(7) http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-amazon-skandal-weitet-sich-aus-609033.php

(8) (http://www.brd-sozial.info/ALG-II-News/amazon-und-die-hartz-iv-ausbeutung-eine-presseschau.html)

(9) siehe (1)

(10) siehe (1)

(11) PM vom 15.12.12. http://www.golem.de/1112/88468.html

(12) http://www.verdi.de/themen/arbeit/++co++3331a3c2-ffbc-11e0-4aa8-0019b9e321cd

 

Bundespräsidentschaftskandidat Joachim Gauch: Eine unglückliche Entscheidung für Menschen in Armut

Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland hält die Entscheidung von Union, FDP, SPD und Grüne Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat auszustellen für eine unglückliche Entscheidung. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob er das wichtige Thema, soziale Gerechtigkeit überhaupt ernst nimmt.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Wer Menschen, die bereits 2004 gegen die geplante Hartz IV-Gesetzgebung demonstrierten, als töricht und geschichtsvergessen bezeichnet und die Occupy-Bewegung mit seiner Kapitalismuskritik für unsäglich albern hält, muss sich fragen lassen, ob er wirklich ein Bundespräsident für alle werden kann. Wir haben in der Politik und Wirtschaft genügend Menschen die uns täglich zeigen, wie sehr sie unsere Armut ankotzt; einen arroganten Oberlehrer brauchen wir dann nicht auch noch als Bundespräsidenten. Gauck muss schon deutlich machen, dass ihm soziale Gerechtigkeit ein besonderes Anliegen ist. Auch wenn die wirtschaftliche Lage für Unternehmen besser scheint, bleibt die Lage für nahezu 10 Millionen Menschen seit 2005 unverändert arm, trotz mehr Jobs“.

Persilschein für Polizisten nach Todesschuss im Jobcenter?

Verfahrenseinstellung sorgt für Unmut bei Hinterbliebenen 

Knapp 9 Monate ist es her, dass Christy Schwundeck, eine Deutsche mit schwarzer Hautfarbe, am 19.05.2011 in den Räumen eines frankfurter Jobcenters unter ungeklärten Umständen von der Polizei erschossen wurde, nachdem sie zuvor einen Beamten erheblich mit einem Messer verletzt hatte.

Nach diesen tragischen Ereignissen hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamtin kürzlich lautlos eingestellt. Ihrer Ansicht nach hat die Beamtin bei dem Gebrauch ihrer Waffe richtig gehandelt.

Arbeitskreis spricht von “Ermittlungsinzest” 

Mitglieder des “Arbeitskreis Christy Schwundeck”, eine Bürgerinitiative, die gemeinsam mit Angehörigen der getöteten Frau an der restlosen Aufklärung des Vorfalls vom letzten Mai arbeiten, sprechen von einem “besonders schweren Fall von Ermittlungsinzest”. 

Wenn in einem öffentlichen Gebäude ein Mensch von der Polizei erschossen wird, dann müsse das auch öffentlich aufgeklärt werden. Im Hinblick auf die Tatsache, dass bei einem Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte ein Staatsanwalt gegen seine eigenen Beamten ermitteln muss, könne ein Staatsanwalt überhaupt nicht unparteiisch agieren. In solchen Fällen müsse vielmehr unbedingt ein Gerichtsverfahren stattfinden.

Wut und Trauer bis heute 

Frau Schwundeck hinterliess einen Ehemann und eine 12-jährige Tochter, ihr Bruder lebt in London, ihre Eltern in Nigeria. Ihr Tod durch eine Polizeikugel hat vor allem unter schwarzen Menschen in Frankfurt und darüber hinaus mehr als nur subtile Ängste ausgelöst.

Nicht nur die Familie, sondern auch Erwerbsloseninitiativen und afrikanische Verbände haben vom ersten Tag an ihr Interesse an der Aufklärung bekundet und stehen in Verbindung mit dem “Arbeitskreis Christy Schwundeck” um auf dem Laufenden zu bleiben. Einige Mitglieder des Arbeitskreises haben Ende letzten Jahres die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft eingesehen und sich ausführlich damit beschäftigt. Ihrer Aussage nach seien die Inhalte der Ermittlungsakte so unvollständig und widersprüchlich, dass man auch nach dem Lesen eigentlich garnichts wisse.

“Sowas kann man doch nicht einfach zumachen!” 

Peter Schwundeck, der Ehemann des Opfers, hat spontan angekündigt, dass er mit Unterstützung seines Rechtsanwaltes und des frankfurter Arbeitskreises Beschwerde einlegen und somit eine Eröffnung der Hauptverhandlung erzwingen will. Auch der Bruder von Frau Schwundeck hat nach längerer Überlegung inzwischen einen Anwalt beauftragt und wird sich dem Verfahren anschliessen.

Der Ehemann ist bestürzt, dass zu dem Verlust seiner Frau oben drauf auch noch die “ganze Kälte des Staatsapparates” käme. Niemand von offizieller Seite habe sich bei ihm entschuldigt oder sein Bedauern bekundet, wie man das in einem Rechtstaat eigentlich erwarten könne. Hilfe bekam er nach dem Tod seiner Frau nur von Privatpersonen, während er sich bei den Sozialbehörden einem regelrechten Spiessrutenlauf ausgesetzt sah und von Pontius nach Pilatus geschickt wurde als er einen Beerdigungskostenzuschuss beantragen wollte.

“Wegen 10 Euro Arbeitslosengeld wurde meine Frau erschossen und jetzt soll das nicht mal vor Gericht?” fragt Schwundeck, “Sowas kann man doch nicht einfach zumachen!” Er werde konsequent den Rechtweg gehen um die Umstände des Todes seiner Frau gerichtlich aufklären zu lassen, das sei er seiner Frau und deren Familie einfach schuldig.

Arbeitskreis Christy Schwundeck

 

Ermittlungen gegen Polizistin nach Todesschuss im Frankfurter Jobcenter eingestellt

 Frankfurt am Main – Gut neun Monate nach dem tödlichen Schuss auf Christy Schwundeck in einem Frankfurter Jobcenter sind die Ermittlungen gegen eine beteiligte Polizistin eingestellt worden. Die 29-Jährige habe die gewalttätige Hartz IV-Bezieherin abwehren wollen und in Notwehr gehandelt, so die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Außerdem soll die Polizistin die Angreiferin mehrfach gewarnt haben und dass sie von ihrer Waffe gebrauchen machen werde.

 Bei dem Vorfall im Mai vergangenen Jahres war es in der Außenstelle für Wohnungslose und Menschen mit Suchtproblemen zuerst zu einer Auseinandersetzung um zehn Euro zwischen der 39-jährigen und dem Personal des Jobcenters gekommen. Danach sollen die Mitarbeiter des Jobcenters die Polizei zur Hilfe gerufen haben. Die Frau hätte einen der Beamten mit einem Messer in den Bauch gestochen haben und ihn verletzt haben. Daraufhin schoss die Kollegin des Beamten der 39-Jährigen in den Bauch an deren Folgen Christy Schwundeck starb. Nach dem Vorfall bleiben viele Fragen offen, die weder von Staatsanwaltschaft und dem Frankfurter Jobcenter bisher nicht beantwortet wurden. Wie konnte es dazu kommen, dass die Frau, die zehn Euro benötigte, diese nicht bekam und die Situation tödlich eskalierte.

Das betroffene Jobcenter wurde mittlerweile aufgelöst.