Katja Kipping: Von der Leyen steuert auf Verfassungsbruch zu

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„Ministerin von der Leyens Gesetzentwurf verstößt in einem zentralen Punkt gegen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts: Das Verfahren zur Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze ist weder nachvollziehbar noch transparent“, sagt Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. „Alle Indizien deuten auf eine Berechnung nach Kassenlage hin. Was künftig als menschenwürdiges Existenzminimum gelten soll, diktiert der Haushaltsplan des Finanzministers. Dagegen muss sich die Opposition gemeinsam wehren – im Bundesrat und gegebenenfalls auch vor dem Bundesverfassungsgericht.“ Kipping weiter:

„Nach dem Transparenz-Gebot wäre es richtig gewesen, zuerst die Berechnungsmethode festzulegen und danach auf der Grundlage der Daten den Betrag zu ermitteln. Das hat die Regierung offensichtlich unterlassen, um die Höhe der Leistungen weiterhin kontrollieren zu können. Zudem wird sie entgegen den ausdrücklichen Vorgaben aus Karlsruhe die sogenannten verdeckt Armen – Menschen, die ihnen zustehende Leistungen nicht in Anspruch nehmen – nicht aus der Referenzgruppe herausrechnen.  Aber nicht nur hinsichtlich Nachvollziehbarkeit und Transparenz ist die Bundesregierung mit den Vorgaben aus Karlsruhe sehr lax umgegangen. Aussagen des Gerichts, die an der Zulässigkeit von Sanktionen und der Bedarfsgemeinschaftskonstruktion zweifeln lassen, hat sie gleich ganz ignoriert.

Hinzu kommt, dass die Regierung ihr Gesetz im Hauruck-Verfahren durchsetzen will. Dem Sozialministerium zufolge soll die öffentliche Anhörung im Ausschuss erst drei Tage vor der abschließenden Lesung im Bundestag stattfinden. Unter solchem Zeitdruck haben es kritische Stimmen schwer, Gehör zu finden. Als Vorsitzende des Fachausschusses kann ich diese Verletzung parlamentarischer Grundsätze nicht hinnehmen. Jetzt bedarf es einer breiten Allianz zur Verhinderung von Manipulationen und Verfahrenstricks.“

Erwerbslosennetzwerke zeigen sich enttäuscht von Hartz IV-Regelungen

10. 10. 2010 – Bundesweite Demo gegen Mangelernährung bei Hartz IV

Viele gesellschaftliche Gruppen wie Gewerkschaften, Milchbauern und Sozialverbände und -initiativen unterstützen sie dabei

Berlin/Bonn/Oldenburg – Die großen Netzwerke der Erwerbslosen sind von den heute durch Bundesarbeitsministerin Ursula von Leyen vorgestellten Details zur Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze enttäuscht. Das große Problem der völlig unzureichenden Mangelernährung sei überhaupt kein Thema gewesen, obwohl in der Regelleistung allein schon für eine ausgewogene und gesunde Ernährung 80 Euro fehlen würden. Von-der-Leyen’s Ankündigung, Kosten eines Internetanschlusses und die Praxisgebühr von zehn Euro als Ausgabenposten zu berücksichtigen, sei schon längst überfällig. Dennoch sei dies reine Augenwischerei, weil die Ministerin offen ließ, ob im Gegenzug andere Ausgabeposten gestrichen werden. Die Debatte um Chipkarten für Kinder lenke zudem von den eigentlichen Problemen ab.

Erwerbslose  rufen deshalb zum 10. Oktober in Oldenburg zu einer bundesweiten Demonstration auf. Das Motto lautet: „Krach schlagen – statt Kohldampf schieben! 80 Euro für Ernährung sofort!“

Hier soll auf die schlechte Ernährungssituation von Hartz IV-Beziehern,  auf die erbärmlichen Beschäftigungsverhältnisse im Discounthandel und die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in der Produktion von Nahrungsmitteln aufmerksam gemacht werden.

Auch den Bauern und Landarbeitern – gleich ob in Deutschland, in den Folientunneln von Almeria oder den Kakaoplantagen Zentralafrika’s stehen faire Einkommen zu. Dumpingpreise sind überall unakzeptabel.

„Von Oldenburg wird ein Signal und eine neue Aktionsform des Protestes ausgehen, der die Bundestagsabgeordneten während des gesamten parlamentarischen Entscheidungsprozesses um Hartz IV immer und immer wieder begleiten wird“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.

Martin Künkler von der Koordinierungsstelle gewerkschaftlich organisierter Arbeitslose (KOS) erklärt: „Die Regierung will erneut Hartz IV künstlich kleinrechnen. Dagegen wollen wir in Oldenburg demonstrieren und uns für Leistungen einsetzen, die sich am Bedarf orientieren.“

Der Entwurf der Arbeitsministerin von der Leyen sieht unter anderem vor, dass Kommunen die Kriterien der Unterkunftskosten selbst bestimmen können. Das könnte für viele Menschen bedeuten, dass sie sich kleinere Wohnungen suchen müssen oder aber die nichtgetragenen Kosten von ihrem Eckregelsatz tragen müssen

Beschäftigte, Milchbauern und Erwerbslose stehen zusammen für eine faire Gesellschaft.

Wir Erwerbslose wollen Regelsätze und Einkommen für alle, die eine ausreichende und gesunde Ernährung ermöglichen – von dem wir uns z. B. auch „faire Milch“ in Läden kaufen können, in denen Mitarbeiter von ihrem Lohn noch anständig leben können, weil wir das richtig und wichtig finden“, so Guido Grüner von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (Also) und ergänzt: „Zu wenig Hartz IV ist schlecht für alle! – 80 Euro mehr sofort für eine gesunde Ernährung.“

FDP will Arbeitslosengeld für Ältere kürzen

Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Christian_Lindner.jpg&filetimestamp=20090325104232

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Berlin – Die Neuberechung der Hartz IV-Eckregelsätze  ist noch vorgestellt worden  und dennoch fordert die FDP das Arbeitslosegeld I für Ältere kürzen. Erwerbslose über 50 Jahre sollen künftig maximal zwölf bis 18 Monate ALG I beziehen und schneller in Hartz IV rutschen. Derzeit können es bis zu 24 Monate sein. FDP Generalsekretär Christian Linder will durch die Verkürzung der Bezugsdauer rund 1,5 Milliarden Euro sparen. Das Geld soll dann zugunsten der Hartz IV-Reform umgeschichtet werden.

Laut Linder könnten so die Hinzuverdienstmöglichkeiten verbessert werden. Gegenüber der „BILD“ sagte er: „Gegenwärtig lohnt es sich für Arbeitslose wenig, einen kleinen Job neben Hartz IV anzunehmen.” Die FDP wolle den Zuverdienst attraktiver machen. Damit startet die FDP abermals eine neue Runde, um den Niedriglohnsektor weiter auszubauen und sozialversicherungspflichtige Stellen abzubauen.

Nach vorliegenden Informationen des Erwerbslosen Forum Deutschland soll am kommenden Montag die Berechnungsmethode für Hartz vorgestellt werden und eine Woche später (27.09.) dann die berechneten Hartz IV Eckregelsätze. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Sätze wesentlich höher ausfallen müssten. Dennoch wird die Regierung alles dran setzen, damit diese nicht steigen werden.

Merkel und Co. nehmen Bürgern ihr letztes Hemd

Quelle. spendenbild_laufsteg campact.de

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Breites Bündnis fordert: Reichtum besteuern statt Armut verschärfen!

Berlin – Aufsehen erregender Protest gegen das Sparpaket:

Während die Abgeordneten im Bundestag über den Haushaltsentwurf der Regierung debattieren, ist draußen eine Modenschau der besonderen Art zu sehen: Auf einem Laufsteg präsentieren Bürgerinnen und Bürger ihre „letzten Hemden“ – individuell beschriftet mit Slogans gegen das Sparpaket. Am Ende des Catwalks entreißen ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sozialministerin Ursula von der Leyen in Puppengestalt ihre „letzten Hemden“ symbolisch. Mehr als 2000 „letzte Hemden“ flattern rundum auf Wäscheleinen vor dem Reichstagsgebäude im Wind.

„Reiche besteuern statt Arme schröpfen“ lautet die zentrale Forderung, der die Arbeiterwohlfahrt, Attac, Campact, das Aktionsbündnis Sozialproteste, die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen sowie die Verdi-Jugend mit dieser gemeinsamen Aktion am heutigen Donnerstag Nachdruck verliehen haben. Tausende Bürgerinnen und Bürger waren dem Aufruf der sechs Organisationen gefolgt, ihre „letzten Hemden“ als Ausdruck ihres Protestes gegen Sozialabbau und für eine solidarische Gesellschaft zu schicken. Gemeinsam fordern sie, Reiche stärker zur Verantwortung zu ziehen – unter anderem durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie die Einführung der Finanztransaktionssteuer.

„Die letzten Hemden zeigen drastisch, wer die Last des unsozialen Sparkurses der schwarz-gelben Bundesregierung trägt“, sagte Ferdinand Dürr vom Kampagnen-Netzwerk Campact. „Auch die fast 60.000 Bürgerinnen und Bürger, die unseren Appell ‚Kein Streichkurs im Sozialen‘ unterzeichnet haben, verlangen von Arbeits- und Sozialministerin von der Leyen, nicht bei den Schwächsten zu sparen.

Reiche müssen zum Zusammenhalt einer gerechten Gesellschaft mehr beitragen.“

„Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung vor allem Arbeitslose und Familien für die Kosten der Finanzkrise aufkommen lassen will.

Sie muss endlich diejenigen zur Verantwortung ziehen, die Jahrzehnte lang fette Gewinne an den unregulierten Finanzmärkten gemacht und dann – als es eng wurde – von staatlichen Rettungspaketen profitiert haben“, ergänzte Jutta Sundermann vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac.

AWO-Präsident Wilhelm Schmidt kritisierte: „Die soziale Ungerechtigkeit dieser Sparbeschlüsse ist unerträglich! Während die Republik aufgeheizt über mangelnde Integration und schlechte Bildungschancen debattiert, verschärft diese Regierung die Lage zahlloser Bürger, die jetzt schon kaum wissen, wie sie den Alltag bewältigen sollen, geschweige denn ihren Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen können.“

„Die Finanzpolitik der gegenwärtigen Bundesregierung geht voll zu Lasten von Geringverdienerinnen und Geringverdienern, von prekär Beschäftigten, Aufstockerinnen und Aufstockern sowie von Erwerbslosen“, betonte Bernhard Jirku von Verdi.

Und Edgar Schu vom Aktionsbündnis Sozialproteste stellte fest: „Kein Wunder, dass die Kassen leer sind, wenn zum Beispiel die Körperschaftsteuer, also die Gewinnsteuer der großen Aktiengesellschaften, seit 1990 von 56 Prozent auf heute 15 Prozent gesenkt worden ist. So leben die Reichen auf Kosten des Rests der Gesellschaft und auf Kosten zukünftiger Generationen.“

Der Appell ‚Kein Streichkurs im Sozialen‘ kann hier unterzeichnet

werden

ARGE Flensburg: zweifelhafte Methoden bei Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten

Sozialgericht Schleswig hebt widerrechtlich verhängte Sanktion gegen Empfänger von Arbeitslosengeld II wieder auf – Urteil vom 20. Mai 2010, Aktenzeichen S 3 AS 1163/06

Von Malte Kühnert

Mit rechtsstaatlich äußerst fragwürdigen Methoden hat die Arbeitsgemeinschaft Flensburg (ARGE) in der Vergangenheit anscheinend versucht, die Absenkung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 31 SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) herbeizuführen:

Im konkreten Fall wurden einem Leistungsempfänger in den Räumlichkeiten der vorgenannten ARGE am 8. März 2006 zwei bereits unterschriebene Blanko-Bescheide mit Rechtsbehelfsbelehrung über die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (AGH) ausgehändigt, welche dieser anschließend bei der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Flensburg mbH (bequa), dem Maßnahmeträger der AGH, abgeben sollte. Die Übergabe der beiden Ausfertigungen erfolgte am 13. März 2006.

Zum 19. Juni 2006 erhielt der Betroffene von der bequa die Aufforderung, dort erneut vorzusprechen, da eine AGH – umgangssprachlich auch häufig als „Ein Euro-Job“ bezeichnet – für den 21. Juni 2006 anstünde.

Bei dieser Vorsprache wurden die von der Ansprechpartnerin in der ARGE schon gut drei Monate zuvor unterzeichneten Blanko-Zuweisungsbescheide durch eine Mitarbeiterin der bequa Flensburg handschriftlich ergänzt, indem die – nicht näher beschriebene – Art der Tätigkeit, der nunmehr auf den 22. Juni 2006 verlegte Beginn und das voraussichtliche Ende derselben, der Ort und Träger der AGH, die Einsatzorte u.a. eingetragen wurden. Gleichzeitig sollte der Leistungsempfänger noch eine Vereinbarung sowie eine vorformulierte Einverständniserklärung über die „freiwillige“ Weitergabe seiner Daten unterschreiben, was er jedoch verweigerte.

Auf entsprechende Nachfrage des Betroffenen, wer die bequa überhaupt legitimiert hätte, die von der ARGE ausgegebenen Zuweisungsbescheide zu vervollständigen, weil bei dieser Vorgehensweise der Eindruck entstehen könne, dass unbefugt und somit rechtswidrig eine hoheitliche Tätigkeit ausgeführt worden wäre, konnte – oder wollte? – sich die Mitarbeiterin der bequa nicht äußern.

Die nunmehr ergänzten Bescheide, welche die anfangs erwähnten Rechtsbehelfsbelehrungen enthielten, erweckten beim Adressaten den Anschein, dass es sich um Verwaltungsakte handelte. Jedoch war die darin ausgewiesene einmonatige Frist zum Einlegen eines Widerspruchs zwischenzeitlich schon längst abgelaufen, weil die Zuweisungsbescheide bereits auf den Tag der Ausgabe bei der ARGE, folglich den 8. März 2006, datierten.

Bezüglich der Frage, welche Art der Tätigkeit konkret ausgeübt werden solle, weil in diesem Zusammenhang lediglich der Eintrag „Büroservice“ zu lesen war, wurde erwidert, dass dies viel besser in der AGH selbst erklärt werden könne.

Existiert in Flensburg womöglich ein „guter Draht“ zwischen Leistungs- und Maßnahmeträger?

Nachdem der Leistungsempfänger die Geschäftsräume der bequa am 19. Juni 2006 gegen 15.20 Uhr wieder verlassen hatte, dürfte durch den Maßnahmeträger umgehend telefonisch Mitteilung bei der ARGE gemacht worden sein, weil dort anschließend noch kurz vor Dienstschluss ein Schreiben aufgesetzt wurde, welches die Anhörung nach § 24 SGB X (Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) zwecks beabsichtigter Absenkung des Arbeitslosengeldes II zum Gegenstand hatte. Dem Hilfebedürftigen wurde darin vorgehalten, durch sein Verhalten das Zustandekommen der Tätigkeit vereitelt zu haben.

Unter dem 21. Juni 2006 antwortete der Betroffene im Rahmen der vorerwähnten Anhörung, dass auf die „Kompetenz“ der ARGE vertraut sowie den Untersuchungsgrundsatz des § 20 SGB X verwiesen würde.

Trotz Kenntnis des Leistungsträgers über die vom eigenen Hause praktizierten Zuweisungsmethoden erfolgte mit Bescheid vom 4. Juli 2006 für die Monate August bis Oktober 2006 eine Absenkung der Regelleistung des Betroffenen um 30%. Gegen diese Sanktion wurde kurzfristig Widerspruch erhoben, erneut auf den Untersuchungsgrundsatz hingewiesen und die Hoffnung geäußert, dass es nicht notwendig werden möge, noch einen Aufhebungsantrag beim zuständigen Sozialgericht Schleswig (SG) stellen zu müssen.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 wies die ARGE den zuvor eingelegten Widerspruch jedoch postwendend als unbegründet zurück, so dass der betroffene Leistungsempfänger schließlich als Ultima Ratio nur noch Klage erheben konnte.

Psychologischer Dienst der ARGE unterstellt dem Betroffenen anschließend die gerichtliche Auseinandersetzung als Ziel

Nachdem die Klageschrift am 17. Juli 2006 beim SG eingegangen war, kam es auf Betreiben der zuständigen Mitarbeiterin der ARGE, welche vorher schon die Blanko-Zuweisungsbescheide für die bequa ausgegeben hatte, am 1. August 2006 zu einer ärztlichen Untersuchung sowie einem Gespräch zwischen dem Hilfebedürftigen und einer hausinternen Psychologin des Leistungsträgers.

In der anschließend erstellten Protokollnotiz hielt diese u.a. fest, dass die gerichtliche Auseinandersetzung vom Betroffenen augenscheinlich nicht als letzter Ausweg im Konfliktfall, sondern als Ziel seiner Bemühungen betrachtet wird.

Wenn – insbesondere im Hinblick auf die augenscheinlichen Arbeitsweisen der ARGE – eine solche Aussage getroffen wurde, obwohl auch im vorliegenden Fall durch die Rücknahme der verhängten Sanktion das sozialgerichtliche Verfahren offensichtlich hätte vermieden werden können, drängt sich die Frage auf, wie die Psychologin zu dieser Auffassung gelangt sein mochte. Könnte der Grund vielleicht darin bestanden haben, dass der Leistungsempfänger seine Verfahren gegen die ARGE in den Tatsacheninstanzen regelmäßig ohne anwaltliche Vertretung führt, um sich fortzubilden? Womöglich ist diese Art der Fortbildung in Flensburg unerwünscht, zumal gewisse Arbeitsweisen offen zu Tage treten könnten:

Im Rahmen der von der Geschäftsführerin der ARGE eigenhändig unterzeichneten Klageerwiderung vom 24. August 2006 wurde als Anlage u.a. eine Kopie von einem der beiden nachträglich vervollständigten Zuweisungsbescheide bei Gericht eingereicht.

Dabei wurde die Position bezogen, dass die betreffenden Bescheide, welche tatsächlich erst am 19. Juni 2006 – und nochmals zur Erinnerung: damit eindeutig nach Ablauf der gesetzlichen Frist für die Einlegung eines Widerspruchs – durch die Mitarbeiterin der bequa ergänzt worden waren, eine rechtmäßige Grundlage für die verhängte Sanktion darstellten, weil der Leistungsempfänger keinen Rechtsbehelf dagegen eingelegt hätte und somit Bestandskraft eingetreten sei. Außerdem wäre es dem Betroffenen möglich gewesen, sich bei der erfolgten Vorsprache in den Räumlichkeiten der bequa zu informieren.

Leider wurde in diesem Zusammenhang nur „vergessen“, dem SG ohne Umschweife die kooperative Arbeitsweise mit dem Maßnahmeträger darzulegen. Somit bestand die Gefahr, dass bei Gericht der Eindruck hätte entstehen können, als wären sämtliche Eintragungen schon am 8. März 2006 in den Räumlichkeiten der ARGE erfolgt, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar nichts Konkretes hineingeschrieben worden war.

Aus nahe liegenden Gründen hatte der Betroffene jedoch mit einem Zeugen Kopien der ursprünglich ausgegebenen Blanko-Zuweisungsbescheide vom 8. März 2006 gefertigt, bevor die Abgabe derselben fünf Tage später bei der bequa erfolgte. Diese Tatsache war der Beklagten anfänglich nicht bekannt. Nachdem die entsprechenden „Sicherungskopien“ dann überraschenderweise bei Gericht eingereicht werden konnten, ermöglichte dies der ARGE, eine bis dahin wohl nicht vorhandene Kenntnis darüber zu erlangen, dass die im eigenen Hause bereits mit Datum und Unterschrift versehenen sowie anschließend zur Übergabe an den Maßnahmeträger ausgehändigten Bescheide zum Zeitpunkt der Ausgabe offensichtlich doch noch (fast) keine Inhalte aufwiesen…

Die damalige Vorsitzende der 3. Kammer, welche im Jahre 2006 für das Verfahren zuständig war, erweckte jedoch eher den Eindruck, als bestünde die Aufgabe des angerufenen Gerichts vorrangig darin, sich mit den Ausdrucksfähigkeiten des Klägers in seinen Schriftsätzen, dafür aber umso weniger mit den sich herauskristallisierenden Arbeitsweisen der ARGE auseinander zu setzen, zumal wiederholt um eine Mäßigung des Tonfalls gebeten wurde. Äußerungen, mit denen u.a. die gemeinsam praktizierten Methoden von Leistungs- und Maßnahmeträger deutlich bezeichnet wurden, waren bei dieser Richterin allem Anschein nach unerwünscht.

Rechtskräftiges Urteil erst nach vier Jahren

In den Folgejahren wechselte während der auffallend langen Verfahrensdauer wiederholt der Vorsitz im vorgenannten Spruchkörper des SG. Schließlich wurde ein Richter zuständig, bei dem auch der Kläger noch das Gefühl bekam, dass der Prozess in der rechtsstaatlichen Form geführt werden sollte, wie es im Allgemeinen vom Bürger erwartet wird – und somit grundsätzlich losgelöst von der Frage, ob die Öffentlichkeit später womöglich Kenntnis über die rechtswidrigen Praktiken der ARGE erlangen könnte.

Am 20. Mai 2010 kam es zur mündlichen Verhandlung vor dem SG, wobei der Rechtsstreit nach ergänzenden Vorträgen der Beteiligten zur Sache durch Urteil beendet wurde:

Der nunmehr auch schriftlich vorliegenden Urteilsbegründung lässt sich u.a. entnehmen, dass die Voraussetzungen für eine Absenkung der Grundsicherungsleistungen nicht vorgelegen haben und die verhängte Sanktion aufgehoben wird:

1.    Es ist zwingend erforderlich, dass der Leistungsträger – folglich die ARGE und nicht die bequa – die Art und die Bedingungen für eine angebotene Arbeitsgelegenheit festlegt. Geschieht dies nicht, so mangelt es an der notwendigen Bestimmtheit des Angebots, weil der Betroffene den Anspruch auf Eingliederung nicht gegenüber dem Maßnahme-, sondern eben nur gegenüber dem Leistungsträger hat.

2.    Weiterhin ist es nicht ausreichend, fehlende Informationen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen bzw. zu ergänzen. Bei der im vorliegenden Fall praktizierten Vorgehensweise bestehen außerdem erhebliche Zweifel der 3. Kammer des SG, dass ein einmal erlassener Verwaltungsakt durch einen privaten Maßnahmeträger im Nachhinein überhaupt ergänzt werden durfte.

3.   Ein Verstoß gegen Treu und Glauben, auf den die ARGE (!) sich beruft, kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, selbst wenn eine persönliche Vorsprache beim Maßnahmeträger erfolgt ist.

4.    Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 c SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung nicht vor (Anmerkung des Verfassers: Korrekterweise hätte die ARGE hier wohl den § 31 Abs. 1 Nr. 1 d SGB II bezeichnen müssen, da es sich um eine AGH mit Mehraufwandsentschädigung handelte). Ob die damit fehlerhaft erteilte Rechtsfolgenbelehrung möglicherweise alleine schon ausgereicht hätte, kann aber dahinstehen, da es bereits an der notwendigen Bestimmtheit der AGH mangelt, um eine Sanktion begründen zu können.

Eine Kopie des – inzwischen rechtskräftigen – Urteils vom 20. Mai 2010 kann gegen Unkostenerstattung beim SG Schleswig unter Angabe des Aktenzeichens S 3 AS 1163/06 angefordert werden.

Schlussbemerkungen:

Die vorstehend beschriebene Zuweisungspraxis, zu der das SG Schleswig leider nur „erhebliche Zweifel“ geäußert und keine deutlicheren Worte gefunden hat, ist nach Kenntnisstand des Verfassers zumindest in der Vergangenheit kein Einzelfall gewesen. Aus diesem Grunde kann (früheren) Leistungsempfängern, denen bis heute vielleicht gar nicht bewusst gewesen sein könnte, welch perfide Methoden Leistungs- und Maßnahmeträger in Flensburg angewandt haben, nur dringend empfohlen werden, sich bei unzureichenden Kenntnissen in Bezug auf rechtliche Vorgehensweisen anwaltlicher Hilfe zu bedienen, falls im Hinblick auf die eigene Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit gewisse Ähnlichkeiten (z.B. die Vorgabe der ARGE, zwei Bescheide beim Maßnahmeträger abzugeben) erblickt werden können. Die Inanspruchnahme sollte jedoch sehr zügig erfolgen, um ggf. noch über einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gegen eine evtl. widerrechtlich verhängte Sanktion – insbesondere im Jahre 2006 – vorzugehen. Offene Fragen zum jeweiligen Einzelfall dürfen ebenfalls nur im Rahmen einer anwaltlichen Beratung beantwortet bzw. geklärt werden.

Abschließend noch ein Auszug aus der von der ARGE veröffentlichten Pressemitteilung Nr. 1 des Ausgabejahres 2007 vom 11. Januar 2007, welche in Zusammenhang mit dem zuvor abgelaufenen Geschäftsjahr 2006 ausgegeben wurde:

>> „Wir haben im vergangenen Jahr einen guten Job gemacht“, zieht Claudia R., Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Flensburg, Bilanz.

Monat für Monat sank die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, also die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld II, im Stadtgebiet Flensburg. „Auch im Vergleich mit den anderen kreisfreien Städten in Schleswig-Holstein schneiden wir gut ab und liegen mit der positiven Entwicklung weit über dem Bundestrend“, freut sich R. Denn „hinter jeder Bedarfsgemeinschaft verbergen sich menschliche Schicksale und uns liegt sehr viel daran, dass unsere Klienten ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen können.“

„Ich bin zuversichtlich, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften auch in diesem Jahr weiter sinken wird“, blickt R. optimistisch in die Zukunft. <<

Die von der Geschäftsführerin erwähnte positive Entwicklung weit über dem Bundestrend setzt sich – wenn auch in einem anderen Geschäftsbereich – anscheinend auch gegenwärtig fort:

Mit Blick auf einen am 5. August 2010 in der Tagespresse der Fördestadt veröffentlichten Artikel unter der Überschrift „Mehr Strafen für Hartz IV-Empfänger“, in welchem u.a. darauf hingewiesen wurde, dass „unwillige“ Leistungsbezieher in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 im Bundesdurchschnitt 125 Euro pro Monat an Einbußen hinnehmen mussten, kann allen Leserinnen und Lesern nur nahe gelegt werden, kritisch zu hinterfragen, weshalb ausgerechnet die ARGE Flensburg beim dortigen Ranking mit 170 Euro monatlich einen außergewöhnlich hohen Kürzungsbetrag vorweisen und damit anscheinend eine Spitzenposition belegen konnte.

Es sind dabei selbstverständlich keine Grenzen gesetzt, sich vorzustellen, welche „arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ in diesem Zusammenhang zur Anwendung gekommen sein könnten…

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