Abstruse Spartipps des Jobcenters – Verhöhnung von Hartz IV-Beziehenden

jobcenter_pinnebergHartz IV-Empfänger sollen ihre alten Möbel verkaufen, Leitungswasser trinken, Vegetarier werden und duschen statt baden. Das rät das Jobcenter Pinneberg nach einem Bericht der „Bild-Zeitung“ (Donnerstagausgabe) in einer neuen Broschüre, Der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt hat diese ausdrücklich gelobt. Die 112-seitige Broschüre enthält dabei äußerst fragwürdige Tipps und schildert das Schicksal einer Hartz-Familie in Bildern. Mit Komik-Bildern wird gezeigt, wie eine „Familie Fischer“ Hartz IV beantragt – und in Windeseile wieder Arbeit findet. Zuvor jedoch werden neue Einkommensquellen erschlossen, indem die Möbel im Internet verhöckert werden und auf Getränke verzichtet wird. Dafür soll Leitungswasser getrunken werden. Geraten wird zu Duschen, statt ein Vollbad zu nehmen . „Auf diese Weise können Sie mehrere Euro im Jahr sparen“, heißt es in der Broschüre. Letztendlich sollen Hartz IV-Beziehende Steine in den Toilettenkasten legen, u m Wasser zu sparen.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Es müssen wohl äußerst schlechte Drogen gewesen sein, die die Macher dieser Broschüre eingenommen haben, um auf 112 Seiten soviel geschmacklosen Unsinn zu verbreiten. Als ob die Situation für Menschen, die Hartz IV beantragen müssen nicht schon schlimm genug ist. Mit dieser Broschüre werden sie gerade zu verhöhnt. Gleichzeitig wird ein verachtendes Menschenbild transportiert das Thilo Sarrazin kaum überbieten kann.
Es geht bei Hartz IV ganz bestimmt nicht um dümmliche Spartipps, sondern um ein menschenwürdiges Existenzminimum, wovon Hartz IV weit entfernt ist. Indirekt gibt die Broschüre ja wenigstens zu, dass es von vorne bis hinten nicht reicht. Besonders Kindern wird hier deutlich gemacht, dass sie nun verzichten müssen, weil ihr Vater 51 Jahre und arbeitslos ist. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass Pinnberger so schnell einen Job finden, wie es in der Broschüre beschrieben wird.“

Verdeckte Armut– Hartz IV-Regelsatzberechnung ist falsch!

h4-tischJobcenter verhindern oftmals Leistungsanträge

Bonn – Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ verzichten zwischen 34 und 44 Prozent auf Hartz IV-Leistungen, obwohl sie darauf einen Anspruch hätten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. „Demnach ist die Berechnung der Hartz IV-Regelsätze falsch, weil nach wie vor die verdeckte Armut nicht herausgerechnet wurde. Damit wird erneut deutlich, dass Hartz IV menschenunwürdig ist“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. Die Initiative fordert eine Anhebung der Regelsätze. Grundlage könnte das Positionspapier des im Dezember gegründeten Bündnisses für ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ sein. ‚Erstmals hatten Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Bauern und Umweltverbände sich gemeinsam für deutlich höhere Regelsätze ausgesprochen.

Gründe, warum keine Leistungen beantragt werden, nennt das IAB in der Studie Unwissenheit, Scham oder eine nur sehr geringe zu erwartende Leistungshöhe. Die Linken-Vorsitzende, Katja Kipping sieht als Ursache auch die entwürdigende Prozedur in den Jobcentern.

„Dem können wir nur beipflichten. Viele Jobcenter müssen sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie aktiv daran mitwirken, um einen Leistungsantrag zu verhindern bzw. Menschen aus dem Leistungsbezug zu drängen“ so Behrsing weiter. Bestätigt fühlt sich das Erwerbslosen Forum Deutschland durch einen Vorstandsbrief der Bundesagentur für Arbeit zur „Planung und Steuerung der gemeinsamen Einrichtungen der Grundsicherung“ für 2013. So heißt es in dem Vorwort: „Der Erfolg unserer Anstrengungen wird in den nächsten Jahren noch mehr am Abbau des Langzeitleistungsbezugs gemessen.“ Für Behrsing heißt das: „Nicht Abbau der Arbeitslosigkeit ist das Ziel, sondern Abbau des Leistungsbezugs ist Parameter für erfolgreiche Arbeit. Und dazu scheinen alle Mittel recht zu sein.“

Als ein Beispiel nennt die Initiative: „Sogenannte Kunden versagt man auch mal gerne die Leistungen, weil sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind. Eine beliebte Methode ist, dass man dabei irgendwelche Unterlagen wiederholt anfordert, die angeblich nie angekommen sind. Dabei wird jedes Mal die Versagung der Leistung angedroht. Selbst wenn man Nachweise über die Abgabe der Unterlagen hat, scheint das auch wenig zu nutzen, wenn man nicht gerade rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.

„Daumen hoch für Inge Hannemann“ am 19.06. 2013 – Berliner Flashmob klein aber oho

20130619_flashmob IH_Bundesbereitsschaftspolizei vor der BA-RegDirektion in der FriedrischstrBerlin (Erwerbslosenforum.Berlin) – Der Berliner Solidaritäts-Flashmob am 19.06.2013 vor der Regionaldirektion der Agentur für Arbeit war klein aber oho – dank ‚Zulauf‘ von unerwarteter Seite.

Am 19.Juni 2013 wollten auch einige Berlinerinnen und Berliner ihre Solidarität für die von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ‚verdroschene‘ Jobcenter-Fallmanagerin Inge Hannemann mit einem Flashmob vor der Regionaldirektion der BA in der Friedrichstraße zeigen(1). Über Facebook war zu solchen Flashmobs Punkt 12 Uhr quer durch’s ganze Land aufgerufen worden. Doch in Berlin war vor den Flashmobbern schon eine andere Gruppe in großer Überzahl da: Soweit das Auge reichte, harrten an diesem Mittwoch, dem 19. Juni 2013, auf der von Passanten und Touristen gern besuchten Flaniermeile im Zentrum Berlins schwarz uniformierte Polizisten vor jedem öffentlichen Gebäude der Dinge, die da ihr Eingreifen nötig machen könnten. Und als die paar Solidaritäts-Flashmobber vor der Regionaldirektion auftauchten, strömten auch die schwarz Uniformierten unverzüglich in beeindruckender Zahl herbei.

Grund dieses unerwarteten Zulaufs: der 19.Juni war auch der Tag des Obama-Besuches in Berlin! Ob also die kritischen Blicke einiger Mitarbeiter oben aus den Fenstern der Regionaldirektion dem Häufchen Solidaritäts-Bekundenden mit ihren A4-Ausdrucken „Daumen hoch für Inge Hannemann“ galten oder doch eher dem imposanten Aufmarsch der Bundespolizei vor ihren heiligen Hallen, muss offen bleiben.

Doch während die Mannen der Bundespolizei ihre präventive Schutzaufgabe für den hohen Staatsbesuch vorne an den paar Flashmobbern auf der Friedrichstraße vollzogen, erreichte auf der Rückseite der Regionaldirektion bei einem zweiten Haupteingang ein Solidaritäts-Flashmob für Inge Hannemann, wie auf Facebook vorgeschlagen, blitzschnell sein Ziel: Im Eingangsbereich wurde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BA das Grundgesetz auf’s Auge gedrückt und vor dem Eingang gingen alle „Daumen hoch!“ für die von ihrem Arbeitgeber öffentlich per Pressemitteilung diffamierte kritische Fallmanagerin.

Die kleine Schar Flashmobber waren sich, das Event vor dem Auseinandergehen noch kurz einschätzend, einig: So ein Flashmob ist eine prima Protestform, muss nur noch etwas geübt werden. Aufgrund des historischen Datums und des unerwarteten ‚Zulaufs‘ dürfte jedoch die Botschaft dem Adressaten, der Bundesagentur für Arbeit, dennoch gut haften bleiben:
– Keine Diffamierung und Ausgrenzung von Jobcenter-Angestellten, welche die – eh längst erwiesenen – verheerenden Auswirkungen der Hartz-Reformen auf die Betroffenen nun auch von Innen her laut benennen! Solidarität mit Frau Hannemannn!

– Schluss mit dem potemkinschen Zahlenfetischismus der BA! Menschen sind keine Waren!

(1) Am 15.06.2013 titelte die Hamburger Morgenpost ihren Aritkiel zu einer Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom Vortag mit „Bundesagentur schlägt zurück: Dresche für Hartz-IV-Rebellin Hannemann.“ In der Tat hatte die BA mit einer – in ebensolchem befremdlichen Boulevardstil verfassten! – Pressemitteilung vom 14.Juni 2013 versucht, die Fallmanagerin Hannemann und ihre wahrheitsgemäße Kritik an den Praktiken der Jobcenter durch schlichte Verunglimpfung auszugrenzen.

(http://www.arbeitsagentur.de/nn_27044/zentraler-Content/Pressemeldungen/2013/Presse-13-035.html)

Zahlreiche Sachkundige und Frau Hannemann selbst haben inzwischen mit ausführliche Gegendarstellungen auf diese befremdliche Pressemitteilung aus dem Hause der Bundesagentur für Arbeit reagiert.

Absurde Vorwürfe der BA im Fall Hannemann dürfen vom Personalrat nicht hingenommen werden

Vorgaben der BA zur Sanktionierung, Quelle:http://qpress.de/wp-content/uploads/2013/06/Auszug-aus-den-Vorgaben-zur-Sanktionierung-1024x768.png

Vorgaben der BA zur Sanktionierung, Quelle:http://qpress.de/wp-content/uploads/2013/06/Auszug-aus-den-Vorgaben-zur-Sanktionierung-1024×768.png

Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland fordert den Personalrat der Bundesagentur für Arbeit auf, sich hinter die Hamburger Jobcentermitarbeiterin Inge Hannemann zu stellen. Die absurden Vorwürfe des Vorstandes der BA gegenüber der kritischen Mitarbeiterin, sie gefährde tausende Mitarbeiter in den Jobcentern (1), dürfen von der Personalvertretung auf keinen Fall hingenommen werden. Gerade so eine große Behörde muss berechtigte Kritik von innen heraus ertragen. „So gibt die BA jedoch ein Bild einer nicht lernen wollenden Organisation ab und belegt Kritiker mit absurden Anschuldigungen, die dann doch nur Ausdruck der Hilflosigkeit gegenüber Kritik von innen sind, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland weiter:

„Die Missstände, die Frau Hannemann anprangert beklagen wir und zahlreiche andere Organisationen seit Jahren. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit verhält sich scheinheilig und weiß anscheinend nicht mehr, was er so beschließt und als Weisung an die Jobcenter herausgibt. So heißt es beispielsweise in dem Vorwort der Planung und Steuerung 2013 für die gemeinsamen Einrichtungen, dass der Erfolg der Anstrengungen in den nächsten Jahren noch mehr am Abbau des Langzeitleistungsbezugs gemessen wird. Und genau das wird mit Sanktionen, Antragsverschleppungen und dem Abdrängen der Menschen in prekäre Jobs umgesetzt.

Frau Hannemann stellt für uns keine Kämpferin für Entrechtete dar, wie es die BA ihr vorwirft. Vielmehr hat sie ihre Aufgaben so wahrgenommen, wie man es selbstverständlich von jeder bürgernahen Verwaltung erwarten kann. Im Übrigen brauchen Erwerbslose auch keine Vorkämpfer. Das System Hartz IV mit seinem europaweiten Export wird durch eine kritische Mitarbeiterin, die das bedingungslose Grundeinkommen fordert, wohl kaum geändert. Die deutsche Agenda 2010 mit denen von der Bundesregierung und BA betriebenen Verharmlosungsorgien war nur ein Modellprojekt für das, was in noch dramatischerem Umfang gegenwärtig insbesondere in Südeuropa durchgesetzt wird. Diese Verelendung wird sich – auch hier – weiter verschärfen. Nach unserem Selbstverständnis können Veränderungen nur erkämpft werden und müssen eine Überwindung der Verwertungslogik des Kapitals zur Folge haben.

 

(1) http://www.arbeitsagentur.de/nn_27044/zentraler-Content/Pressemeldungen/2013/Presse-13-035.html

Arbeitsagenturen beobachten Arbeitslose auch im Internet

jobcenter wolfenbüttelBerlin (ots) – Deutsche Arbeitsagenturen nutzen das Internet offenbar seit Langem, um mehr über ihre Kunden zu erfahren. Dies bestätigte der Sprecher der Erwerbslosen Forums, Martin Behrsing, der Zeitung „neues deutschland“ (Montagausgabe). Behrsing sind Fälle bekannt, »wo Arbeitslose von Sachbearbeitern aufgefordert wurden, bei uns im Online-Forum eingestellte Dokumente wieder zu entfernen«. Das Erwerbslosen Forum betreibt eine der größten Internetplattformen für Arbeitslose. Einige hatten in ihrer Wut über falsche Bescheide vom Amt diese auf der Webseite veröffentlicht. Auf diese Weise sei man ihnen auf die Spur gekommen, so Behrsing. Mitarbeiter der Arbeitsagenturen beobachten somit ihre »Kunden« bereits im Internet. »Wir können sehen, von welchen Servern der Zugriff erfolgt. Daher wissen wir, dass die Arbeitsagenturen sehr häufige Besucher unserer Webseite sind«, so Behrsing.

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