Das 5-8-Euro-“Erlebnis“

Von Dirk Vosen (SG-NRW) – Ein Freudensprung geht durch Deutschland. Abermals wurde einem Teil unserer Mitmenschen (in dem Fall den ALG II- Empfängern) etwas “Gutes“ getan. Seltsam ist nur der Umstand, dass sich die Leute nicht wirklich darüber freuen. Woran kann das liegen. Liegt es an dem Betrag? Liegt es an dem Umstand, wie der Betrag zustande gekommen ist. Liegt es daran, dass man z. B. Banken innerhalb kurzer Zeit einen „Geldsegenschirm“ aufspannen konnte.

Wahrscheinlich eine „gesunde“ Mischung aus allem. Wenn man  betroffener ALG II- Empfänger ist, kann man sich nur noch über das hin und her von CDU, FDP, SPD und allen anderen Parteien wundern, oder doch eher wütend werden. Das „Produkt“ Mensch verliert in diesem Land durch die „renommierte“ Parteienlandschaft immer mehr an Wert.

Nun haben die Parteien in Bezug auf den Regelsatz einen „Konsens“ gefunden. Großartig wurde dieser „Durchbruch“ in Fernsehen und Zeitung unters Volk gebracht. Hier wird zu fast 99% über die neuen Verbesserungen für Kinder gesprochen. Und das ist auch gut so. Denn wer kann etwas gegen Kinder sagen. Keiner. Und genau das ist der verwerfliche Trick der „führenden“ Politlandschaft.

Leider muss man feststellen, dass ein breiter Widerstand der ALG II- Empfänger zu suchen bleiben wird. Soweit hat man den Betroffenen schon in die Enge getrieben. Positiv zu sehen ist, dass immer mehr ALG II-Empfänger den Weg zu den Gerichten einschlagen. Kürzlich war zu erfahren dass jeder Zweite hier auch zu seinem Recht kommt. Obwohl, kann man an dieser Stelle von Recht sprechen?

Eine altgediente Mitarbeiterin des Arbeitsamtes, der Arge oder des Jobcenters informierte vor kurzer Zeit darüber, dass die Sozialgerichte mittlerweile dazu übergegangen sind, viele Prozesse zugunsten der ALG II-Empfänger „durchzuwinken“. Dies nur darum, damit diese „unselige Ruhe“ bei den Prozesslern und sozialen Verbänden gewahrt bleibt. Wenn das stimmen sollte, wird hier auch noch eine gesetzliche bzw. staatliche Verarsche kredenzt.

Das 5-8-Euro-„Erlebnis“ ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die Tag für Tag ihr Leben im ständigen Alltagskampf bestreiten. Welche Probleme diese Menschen haben, interessiert in der politischen Führung niemand. Das wirklich fatale daran ist aber der Umstand, dass dieses Verhalten bei den Betroffenen nichts auslöst. Ja wir haben diese Veranstaltungen, diese Demos von ver.di, DGB, Attac und vielen sozialen Verbänden. Aber eine wirklich wachsende, anhaltende und breite Bewegung gibt es nicht.

Festzustellen bleibt, dass sich die Regierung immer weiter vom Bürger entfernt. Dieses schmückt sie mit der Floskel der wachsenden Selbstbestimmung des Mitbürgers.

Wir die SG-NRW stehen zu dem, was wir immer gesagt haben. Wir sind für die zeitnahe Abschaffung der unmenschlichen, ja geradezu menschenverachtenden Hartz IV-Knebel-Gesetzen.

Die letzten 6 Jahre haben uns bewiesen, wie es Millionen von Menschen ergangen ist, was die Hartz IV-Gesetze aus ihnen gemacht haben. Hoffnungslosigkeit, begleitet von wachsenden psychischen Problemen haben und werden sich weiterhin einstellen. Ein Mensch, bei dem die Sorge um Existenz, Überleben und immer wieder enttäuschter Hoffnung, gefolgt von zu wenig Geld tagtäglich überwiegt, verändert sich.

Wenn man das erkannt hat, muss man sich die Frage stellen. Was kann die Regierung bei diesen wachsenden Problemen der ALG II-Empfänger noch erwarten. Die Regierung muss sich als Auslöser dieser Probleme erkennen. Solange sie dies nicht tut und keine konsensfähigen Lösungen (mit dem ALG II-Empfänger) anbietet, wird Hartz IV ein ewiges Problem bleiben.

Die Frage ist. Was kann die Regierung in der momentanen Situation noch erwarten?
Wenn sie realistisch ist, kann es nicht viel sein.

Partei: Soziale Gerechtigkeit Nordrhein Westfalen (SG-NRW)

Pressemiteilung:

Dirk Vosen (Stellv. Vorsitzender)

41238 Moenchengladbach

Andrej Hunko: Hartz IV bleibt menschenunwürdig und verfassungswidrig

Stimmerklärung zum Hartz-IV-Vermittlungsergebnis

Als vermutlich einziger ehemalig selbst Hartz-IV-Betroffener  im Bundestag stimme ich  gegen das Ergebnis des Vermittlungsausschuss. Das ausgehandelte Ergebnis ist vom Standpunkt der Erwerbslosen völlig unzureichend.

Nach meiner Auffassung sind weder die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes erfüllt noch ist die grundlegende Problematik von Hatz-IV angegangen worden.

Mit der Einführung von Hartz-IV durch die damalige SPD-Grünen-Regierung ist ein Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik eingeleitet worden. Eine Versicherungsleistung für Beschäftigte wurde in ein System überführt, das Erwerbslose zu einem bizarren Spießrutenlauf nötigt, um überhaupt die elementarsten Lebensgrundlagen zu erhalten.  Parallel wurde ein drakonisches Sanktionsregime etabliert, das selbst bei kleinen Verfehlungen zum Entzug der lebensnotwendigen Leistungen führt.  Das Ziel und Ergebnis dieser „Reform“ war die Errichtung eines beispiellosen Niedriglohnsektors in Deutschland und das Abwälzen des gesellschaftlichen Problems der Arbeitslosigkeit auf die jeweiligen Erwerbslosen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Berechnungsgrundlage der Hartz-IV-Regelsätze für verfassungswidrig erklärt und damit einem Teil der Kritiken recht gegeben.  Der jetzt zwischen den Hartz-IV-Parteien SPD, Grüne, CDU und FDP ausgehandelte Kompromiss hebt die Verfassungswidrigkeit nicht auf.

Notwendig wäre bis zur völligen Abschaffung von Hartz IV die sofortige und repressionsfreie Erhöhung der Eckregelsätze auf 500 Euro, die Abschaffung des Sanktionsregimes und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von mindestens 10 Euro.

Die Zustände in den „Jobcentern“ können nur als Zustände bezeichnet werden, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen“ ist, um ein bekannten deutschen Philosoph  zitieren. Daran ändert das Ergebnis des Vermittlungsausschusses nichts. Diesen Zuständen kann ich meine Zustimmung nicht geben.

Große Koalition verschärft Sozialabbau

Das Bundesverfassungsgericht urteilte, in der Folge verurteilte Bundestag, Bundesrat und die Regierung die Hartz-IV-Empfänger. Die vom Gericht vorgeschriebene Transparenz der Berechnungsgrundlage der Regelsätze wurde durch bewegliche Zahlen vorgeführt: 5 Euro mehr oder aber auch ein anderer Wert. Jedwede seriöse Bedarfsrechnung kommt allerdings auf mindestens 500 Euro Regelsatz. Was also kostet die im Grundgesetz festgelegte Würde des Menschen? Diese Würde soll schon gelten, aber kosten soll sie immer weniger. So bleiben mit dieser „Hartz-IV-Reform“ die gesetzlichen Daumenschrauben für das Prekariat.
Sie werden um noch weitere Drehungen angezogen. Das Prekariat stöhnt und schweigt. Es ist zu sehr mit der Prekarität seiner eigenen Existenz beschäftigt. Die Daumenschrauben ziehen hinter sich den gesamten Arbeitsmarkt weiter herunter. Wie weit noch, wo ist das Ende?

Die Verachtung der Würde hat ihren Preis. Auch der macht letztlich vor niemandem Halt. In Tunesien und in Ägypten ist er schon fällig geworden.
Mit wie vielen Opfern! Allerdings können wir noch ganz andere Opferzahlen in der deutschen Geschichte durch die Verletzung der Würde des Menschen vorweisen. Soll es noch mal so weit kommen? Diese „Hartz-IV-Reform“ stellt aber genau dafür die ökonomischen Weichen.

Regierung räumt intern große Kaufkraftverluste bei Hartz-IV-Empfängern ein

Linkspartei kündigt rechtliche Schritte gegen willkürliche Regelsatzpoliktik an

Leipzig (ots) – Die Bundesregierung rechnet intern bei der Ermittlung des neuen Hartz-IV-Regelsatzes mit höheren Kaufkraftverlusten, als sie offiziell einräumt. Das berichtet die „Leipziger Volkszeitung“ (Sonnabend-Ausgabe) unter Berufung auf interne Arbeitspapiere des Bundessozialministeriums. Unter Einbeziehung der verfügbaren aktuellen Veränderungsraten beim Lohn- und Preisindex stellt das Ministerium intern auf Seite 19 eines vorliegenden 43-seitigen Verhandlungspapiers für die CDU/CSU-Seite fest: In der Regelbedarfsstufe 1 müsste der Betrag von derzeit 359 Euro auf 370 Euro steigen. Würde nur der Preisanstieg aktuell eingerechnet, käme man in der Regelbedarfsstufe 1 mit 367 Euro hin.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, erklärte daraufhin gegenüber der Zeitung, dass „die Öffentlichkeit gezielt in die Irre geführt“ werde. „Real wird bei Hartz IV seit Jahren gekürzt. Die Hartz-IV-Haushalte haben Monat für Monat weniger in der Tasche. Alles wird teurer, aber ihre Bezüge wurden seit 20 Monaten nicht mehr angepasst.“ Statt aktiv und schnell zu handeln, begreife die Bundesregierung offenkundig den Reform-Auftrag durch das Verfassungsgericht als „Aufforderung zur Regelsatzkürzung“. Der Linkspartei-Chef kündigte rechtliche Schritte gegen die Hartz-IV-Politik der Regierung an. „Wir werden gegen diese Verabredung zum Verfassungsbruch rechtliche Schritte einleiten. Hartz IV wird schnell wieder vor dem Verfassungsgericht landen“, hob Ernst hervor.