Bonn – Im Jahr 2010 wurden 828.300 Sanktionen gegenüber Hartz IV-Beziehern ausgesprochen. Im Jahresdurchschnitt waren 136.000 Menschen von mindestens einer Sanktion betroffen. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/6833) am Donnerstag auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (17/6519). Der häufigste Grund für Leistungskürzungen waren Meldeversäumnisse (61 Prozent), gefolgt von der Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen oder deren Pflichten nachzukommen (18 Prozent), sowie der Weigerung, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit anzunehmen (14 Prozent). Das Erwerbslosen Forum Deutschland wirft der Bundesregierung und den Jobcentern blinde Sanktionswut vor, denn immerhin waren 42 Prozent aller eingelegten Widersprüche und fast 60 Prozent der eingereichten Klagen erfolgreich.
Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:
„Die Bundesregierung Jobcenter betreiben blinde Sanktionswut gegenüber Hartz IV-Beziehern, obwohl sie wissen, dass in 70 Prozent der ausgesprochenen Fälle die Sanktionen rechtswidrig waren. Die Gründe dafür sind hausgemacht: schlecht ausgebildete Mitarbeiter und oftmals chaotische Organisation in den Jobcentern.
Aber leider müssen wir auch feststellen, dass bei 828.300 Sanktionen nur in etwa ein Drittel (66.685) der betroffenen Personen einen Widerspruch eingelegt hatten. Geklagt hatten aber leider nur wenige Menschen (6.935), obwohl deren Chancen bei den Sozialgerichten überdurchschnittlich hoch gewesen wären. Durch die im April eingeführten Gesetzesverschärfungen hat die Bundesregierung nochmals die Hürden der Gegenwehr ohne jede Grundlage erhöht.Hinzu kommen die wesentlich härten Sanktionen gegen unter 25-Jährige. Denen werden schon beim ersten Pflichtverstoß 100 Prozent die Leistungen gekürzt. Die Begründung der Bundesregierung dazu ist völlig grotesk, wenn die schärferen Sanktionen gegenüber jungen Menschen damit verteidigt werden, dass dies Ausdruck des gesetzgeberischen Willens sei, Jugendliche an den entscheidenden Stellen des Übergangs von Schule in Ausbildung und von Ausbildung in Arbeit intensiver als andere Personengruppen zu unterstützen und sie zu motivieren (17/6833 S. 13). Ich bezeichne so etwas als schwarze Pädagogik.“