Hat das Jobcenter Bochum einen Knall?

Foto:pixelio.de

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Kommentar von Norbert Hermann – Bochum-Prekaer

Werden „überschiessende“ Wohnungskosten von einem „Sponsor“ übernommen, so soll nach Meinung der ARGE Bochum diese Unterstützung allein auf den von der ARGE zu übernehmenden „angemessenen“ Teil der Wohnungskosten anzurechnen sein. Die ARGE will dann entsprechend weniger zahlen. Die ARGE bezieht sich dabei auf eine angebliche „Richtlinie“ der Stadt Bochum (1).

Das widerspricht sowohl der Rechtslage als auch jeglichem rechtsstaatlichem Denken. Die angegebene „Richtlinie“ ist selbst nach Meinung der Stadt Bochum in weiten Teilen widerrechtlich und soll seit Jahren überarbeitet werden.

Die Rubrik „Frage der Woche“ der ARGE Bochum zeichnet sich aus durch häufige falsche oder unzureichende Darstellungen. Letzteres ist nach Ansicht des BGH auch rechtswidrig.

Seitens der Stadt (Sozial- und Wohnungsamt) und der ARGE wird seit Jahren viel Energie gesteckt in das Bemühen, die Betroffenen um die zustehenden Wohnungskosten zu prellen (3). Allein einen Lichtblick gibt es: im Frühjahr haben es die Bochumer Frauenberatungsstellen erreicht, dass junge Frauen unter 25 Jahren aus der elterlichen Wohn ausziehen dürfen, wenn sie schwanger oder alleinerziehend sind.

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ARGE Bochum: Frage der Woche (1)

Montag, 11. Juli 2011

Frage

Meine Wohnung ist zu groß und zu teuer, also „unangemessen“ – das Jobcenter Bochum berücksichtigt nach 6 Monaten nur noch den angemessenen Teil der Miete. Wenn jetzt ein Verwandter die Mietdifferenz für mich aufbringt, kann ich dann davon ausgehen, dass das Jobcenter weiterhin die „angemessene Miete“ in voller Höhe übernimmt?

Antwort

Nein, das Jobcenter wird in diesem Fall nur noch den ungedeckten Rest Ihrer „angemessenen Miete“ übernehmen.

Ausschlaggebend sind hierbei zwei Grundsätze:

1. Unterkunftskosten werden – nach Ablauf einer Schutzfrist – vom Jobcenter nur in „angemessener“ Höhe berücksichtigt.

2. Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“) dürfen nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann.

Die Höhe der „angemessen Miete“ in Bochum ist durch die kommunalen Richtlinien zu den Kosten der Unterkunft (KdU) bestimmt. Zahlt nun jemand anderes einen Teil dieser Unterkunftskosten – ob direkt an den Vermieter oder auf dem Umweg über Sie oder Ihr Konto spielt keine Rolle – dann ist damit ein Teil Ihrer Hilfebedürftigkeit „anderweitig beseitigt“ und das Jobcenter berücksichtigt nur noch den von dem Mietzuschuss des Verwandten nicht gedeckten Rest der angemessenen Miete.

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Quellenangaben:

(1) http://www.jobcenter-bochum.de/Mietuebernahme_durch_Dritte.1039.0.html#c2407

(2) http://www.harald-thome.de/media/files/Kdu2/KdU-Bochum—18.02.2011.pdf

(3) http://www.bo-alternativ.de/Mietgrenzen.pdf

CDU-Grünen „Sozial“ticket-Initiative im VRR ist Mogelpackung

Das von CDU und Grünen im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr beantragte „Sozial“ticket ist eine Mogelpackung. Hartz-IV-Betroffene und große Teile der Armutsbevölkerung werden damit weiter von Mobilität ausgeschlossen und erneut aufs Abstellgleis geschoben. Dazu erklärt Hubertus Zdebel, Landessprecher DIE LINKE. NRW:

„Der VRR will am morgigen Donnerstag auf Antrag von CDU und Grünen die Einführung eines sogenannten ‚Sozial’tickets beschließen, zum Preis von 29,90 €, begrenzt auf das Stadtgebiet, versuchsweise bis Ende 2012. Bei einem Preis von knapp 30,00 Euro hat das mit einem bedarfsgerechten und flächendeckenden Sozialticket, wie es Gewerkschaften und Sozialverbänden fordern, nichts zu tun. Insbesondere Hartz-IV Betroffene werden sich das Ticket nicht leisten können, denn im Hartz IV-Regelsatz sind mal gerade 15 € für den ÖPNV vorgesehen.

DIE LINKE. NRW will einen öffentlichen Nahverkehr, den sich jeder leisten kann. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialverbänden fordern wir ein landesweit einheitliches Sozialticket, denn Mobilität endet nicht an den Stadtgrenzen. Diese NRW-Card soll die Nutzung des Nahverkehrs und der kulturellen Angebote von Land und Kommunen in ganz Nordrhein-Westfalen ermöglichen und nicht mehr als 15 Euro kosten. Damit würde Hartz-IV-Bezieher/innen, Niedriglohnverdiener/innen und weiteren Personenkreisen in prekären Lebensverhältnissen erstmals landesweit Mobilität und kulturelle Teilhabe ermöglicht.

Um ein landesweites Sozialticket zu finanzieren, sind – wie von der LINKEN in NRW gefordert – jährlich mehr als 100 Mio. Euro in den Landeshaushalt einzustellen. CDU und FDP im Landtag haben erklärt, dass sie keinen Cent für ein Sozialticket zur Verfügung stellen wollen. Aber auch SPD und Grüne haben offensichtlich kein Interesse daran, ein landesweites Sozialticket einzuführen, denn die von ihnen im Landtag bereitgestellten Landesmittel in Höhe von 30 Mio. Euro pro Jahr reichen hinten bis vorne nicht aus. Dabei raus kommen dann solche Mogelpackungen wie jetzt beim VRR.“

Zwickmühle Energiearmut

Kurt Michel / PIXELIO

Kurt Michel / PIXELIO

Das unabhängige Verbraucherportal Verivox hat ermittelt, dass bedürftige Haushalte überdurchschnittlich hohe Strompreise bezahlen müssen, für welche die staatlichen Zuwendungen nicht ausreichen.

Im April 2011 bekamen laut Bundesagentur für Arbeit rund 6,5 Millionen Menschen, die in insgesamt 3,5 Millionen Bedarfsgemeinschaften leben, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld. Der Regelbedarf für Alleinstehende beläuft sich derzeit auf 364 Euro pro Monat. Von diesen 364 Euro werden vom Gesetzgeber 30,42 Euro (8,36 Prozent) für Strom, Kochgas und Wohnungsinstandhaltung eingeplant.

Stromkosten übersteigen Regelsatz um 45 Prozent

Dass der Regelsatz von 30,42 Euro zu gering angesetzt ist, zeigt ein Blick auf den Verivox-Verbraucherpreisindex Strom. Ein Single-Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 2000 kWh bezahlt im Mai 2011 durchschnittlich 26,43 Cent pro Kilowattstunde. Das entspricht monatlichen Kosten von 44,05 Euro. Damit übersteigen die reinen Stromkosten den Regelsatz bereits um 45 Prozent – die Ausgaben für Kochgas und Wohnungsinstandhaltung kommen noch dazu.

„Die Berechnung des Regelbedarfs ist ein komplizierter statistischer und politischer Prozess, den wir nicht vollständig beurteilen können“, so Peter Reese, Leiter Energiewirtschaft bei Verivox. „Für den Bereich Haushaltsenergie können wir jedoch eindeutig feststellen, dass hier zu optimistisch gerechnet wurde.“

Höhere Kosten und wenig Auswahl

Wer staatliche Unterstützung erhält, wird vom Gesetzgeber aufgefordert, bewusst mit dem Geld umzugehen und wirtschaftlich zu handeln. Doch Bedürftige können nur eingeschränkt am Wettbewerb auf dem Strommarkt teilhaben.

Die meisten überregionalen Stromanbieter (Übersicht siehe http://www.verivox.de/stromanbieter/) prüfen die Bonität von Neukunden, um eventuelle Zahlungsausfälle zu vermeiden. Diese Risikoeinschätzung berücksichtigt Zahlungsschwierigkeiten in der Vergangenheit, aber auch weichere Faktoren wie Alter oder Wohnort. In der Praxis bedeutet dies, dass viele Verbraucher, die staatliche Unterstützung beziehen, oft nicht zu einem günstigeren Stromanbieter wechseln können (mehr Infos unter http://www.verivox.de/stromanbieter-wechseln/).

Die Folge ist, dass die einkommensschwachen Haushalte an den örtlichen Stromversorger gebunden bleiben. Dort werden sie in der Regel zu den Konditionen der Grundversorgung beliefert. Der örtliche Grundversorgungstarif ist jedoch die mit Abstand teuerste Art, Strom zu beziehen – damit bezahlt ein Haushalt ungefähr 5 Prozent mehr als im bundesdeutschen Durchschnitt.

Hartz IV-Reformen führen nicht schneller zum Job – dafür schneller in Armut

Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland fühlt sich bestätigt. Die sogenannten Hartz-IV-Reformen haben nach einer Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erwerbslose Menschen nicht schneller in einem Job gebracht, wie vorher in der Arbeitslosenhilfe. Dafür aber mehr Menschen in die Armut getrieben. Nach Ansicht des Erwerbslosen Forum Deutschland sind damit die Hartz IV-Befürworter der Lüge überführt, wonach die Hartz IV-Reformen angeblich Wirkung zeige und zunehmend mehr Menschen in Arbeit bringe.

Nach Auswertung des sozio-okonomischen Panels stellte das Writschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Böckler-Stiftung heute fest, dass „keine wesentliche Veränderung der Verweildauer“ in der Arbeitslosigkeit gegeben hat. Vor der Reform (2005) seien Empfänger von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Durchschnitt 12 Monate ohne Stelle gewesen. Jeder zweite habe innerhalb eines Jahres einen neuen Job gefunden. Unter Hartz IV-Bedingungen betrage die durchschnittliche Arbeitslosigkeit 13 Monate. Weiterhin schaffe es die Hälfte aller Bezieher des Arbeitslosengeldes II innerhalb eines Jahres in eine neue Stelle.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Die große Arbeitsmarktreform Hartz IV stellt sich als eine große Luftblase heraus, die außer Bürokratie, Vereinsamung, Angst und bittere Armut, keine positiven Effekte schafft. Die Hartz IV-Befürworter sind nunmehr endgültig der Lüge überführt worden, wonach Hartz IV angeblich Wirkung zeigen würde. Hartz IV zeigt nur da Wirkung, wo es um Abbau von Arbeitnehmerrechten, Lohndumping, massenhafte Verarmung und Bereicherung von Unternehmen auf Kosten der Erwerbstätigen geht. Es wird Zeit, dass Gewerkschaften, Sozialverbände und die sozialen Bewegungen nun gemeinsam Druck aufbauen, damit das Scheingebilde Hartz IV genauso stillgelegt wird, wie AKWs.“

 

NRW: Hartz-IV-Klage – Versprechen gebrochen, Frau Ministerpräsidentin?

MDL: Dr. Caroline Butterwegge DIE LINKE-NRW

Düsseldorf – In einem offenen Brief erinnert die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung an die vom Landtag NRW beschlossene Normenkontrollklage gegen Hartz IV und fordert sie auf, diese endlich einzureichen. Dazu erklärt Dr. Carolin Butterwegge, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion: „Ministerpräsidentin Kraft muss ihre Rolle als Landesmutter aktiv wahrnehmen und die Bundesarbeitsministerin vor dem Verfassungsgericht in die Schranken weisen. Wenn die Landesregierung es ernst meint mit ihrem Anspruch, kein Kind zurücklassen zu wollen, darf sie es nicht dulden, dass fast einer halben Million Kinder in NRW verfassungsgemäße Regelsätze vorenthalten werden.“

Der so genannte Hartz-IV-Kompromiss war laut Butterwegge „ein offener Rechtsbruch auf dem Rücken der Betroffenen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion hatten Ende Februar Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und interessierte Ministerpräsidenten der Länder sämtliche verfassungsrechtlichen Bedenken über Bord geworfen.“ Statt einer Berechnung und Auszahlung verfassungsgemäßer Regelsätze insbesondere für Kinder wurden ein „Bürokratiemonster namens Bildungs- und Teilhabepaket“ sowie zahlreiche Verschlechterungen bei Hartz IV beschlossen.

Für NRW bedeutet dies, dass rund 1,6 Millionen Hartz-IV-Betroffenen um das ihnen zustehende Recht auf verfassungsgemäße Regelsätze gebracht wurden, davon etwa 450.000 Kinder. Für diesen Fall hat der Landtag NRW bereits im Dezember 2010 vorsorglich die Landesregierung zur Klage vor dem Bundesverfassungsgericht aufgefordert. „Die Landesregierung NRW hat diesen Beschluss bisher aber nicht umgesetzt“, kritisiert Butterwegge.

offener Brief_Klage_Hartz IV_2011-05-24