Bundesagentur für Arbeit mutiert zur „NSA 2.0“

Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland wirft der Bundesagentur für Arbeit vor, sich zu einer „NSA 2.0“ zu entwickeln. Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung will die BA die Online-Aktivitäten von Hartz IV-Beziehenden stärker überwachen. Dazu fordert sie eine gesetzliche Grundlage, um Daten erheben zu können. Angeblich sollen damit Leistungsbezieher entlarvt werden, die im großen Stil Waren im Internet verkaufen. Für das Erwerbslosen Forum Deutschland sind solche Vorschläge scheinheilig. In Wahrheit ginge es der Bundesagentur um die Weiterentwicklung der Ausspitzelung von Hartz IV-Beziehenden.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Nachdem die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter sich im Verlauf der Jahre immer mehr zu Spitzelbehörden entwickelt haben, will man jetzt den großen Schritt gehen und sich zu einer Superbehörde NSA 2.0 entwickeln. Auch diesmal werden wieder fadenscheinige und für die Betroffenen diffamierende Gründe vorgeschoben. Dabei haben die Behörden schon jetzt genügend Mittel, um angeblichen Leistungsbetrug aufzudecken.

In Wahrheit geht es den Behörden um die völlige Ausschnüffelei von Leistungsbeziehenden, um einerseits jeden Winkel des Privatlebens zu wissen und andererseits Angst bei den Menschen zu schüren. Schon einmal hatten wir der BA stasihaftes Verhalten vorwerfen müssen, nachdem Sozialkontrolleure als verdeckte Ermittler eingesetzt worden waren. Das löste eine Welle der Empörung aus und die entsprechende Dienstanweisung musste vom Bundesministerium für Arbeit und der BA zurückgenommen werden. Nun sollen derartige Ermittlungen auf einem viel einfacheren Weg wieder eingeführt werden. Wir werden das aber so nicht hinnehmen und notfalls Betroffenen genügend Know-How an die Hand geben, um sich erfolgreich gegen die Onlineschnüffelei der BA zu Wehr zu setzen“.

Die nützliche Armut – Konferenz 23.11.2013 Wuppertal

Foto: Hans Dieter Hey

Tagung / Konferenz

23.11.2013 | ganztägig

Universität Wuppertal, Campus Freudenberg, Hörsaalzentrum, Wuppertal

Mit Prof. Dr. Heinz Sünker, Prof. Dr. Helga Spindler, Dr. Rudolf Martens, Prof. Dr. Michael Vester, Prof. Dr. Klaus Dörre, Prof. Dr. Stefan Selke, Gabriele Zimmer (MdEP), Michaela Hofmann, Martin Behrsing, Guido Grüner, Michael Bättig, Frank Jäger, Kathrin Hartmann, Wolfgang Storz

Die nützliche Armut

Konferenz zur Armut heute: Begriffliche Bestimmung, Tiefenschau und Alternativen gegen die Fortführung eines nützlichen Zustands

zum Flyer

„Uns geht es doch gut“ – beruhigt die Kanzlerin mit Blick auf die grassierende Verelendung in anderen EU-Staaten. „Uns“ – das sind diejenigen in gut bezahlten und sicheren Beschäftigungsverhältnissen und die ohnehin reichen Gewinner der großen Umverteilung. Und die von allen etablierten Parteien getragene Agenda 2010 habe doch wirtschaftliche Erfolge gebracht, von denen letztlich alle profitieren würden: die Deregulierung der Arbeitswelt, die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme.

Doch  tatsächlich hat sich die Armut verschärft, bei Arbeitslosen, Rentner/innen und Grundsicherungsbeziehenden genauso wie bei Arbeitnehmer/innen. Nicht nur ungelernte Arbeitnehmer/innen sind betroffen, sondern auch Facharbeiter/innen in der Leiharbeit, Dienstleister/innen und Akademiker/innen. Von der Armut bzw. Mittelkürzungen betroffen sind auch die „Armutsverwalter“ in staatlichen Behörden und Sozialleistungsträger, die ihrerseits bei ihren Aufträgen zu wenig zahlen.

Armut ist kein Betriebsunfall, sondern sie scheint systemnotwendig in der „Wettbewerbsgesellschaft“: Als Kehrseite des Reichtums und als Druckmittel und Drohung bis weit hinein in die Mittelschichten.  Wie gehen wir damit um?

Kinderbetreuung mit Programm ab 10 Uhr


Programm

10:00     Eröffnung, Begrüßung
Prof. Dr. Heinz Sünker, Karl-Heinz Heinemann

10:15      Armut ist was…? Der Armutsbericht ist tot!
Sinn und Unsinn von amtlichen Armutsberichten.
Dr. Rudolf Martens, Leiter Forschung, Paritätische Forschungsstelle, Berlin

11:00      Prekarität und Armut in der Sozialstruktur
Prof. Dr. Michael Vester, TU Hannover

12:00 Parallelvorträge

  • Sozialer Abstieg und Armut in Fremdzuschreibung und Selbstzeugnissen Prof. Dr. Klaus Dörre,  Uni Jena
  • Armut als notweniger Antrieb? Armut und Entrechtung im aktivierenden Sozialstaat.
    Prof. Dr. Helga Spindler, Köln

13:00 Mittagspause

14:00 parallele Workshops

  • Die Tafelbewegung: Bürgerschaftliches Engagement als Mittel zur Armutsbekämpfung oder zur Entrechtung?
    Prof. Dr. Stefan Selke, Hochschule Furtwangen
  • Europa 2020: Wie die europäische Krisenpolitik Armut produziert
    Gabriele Zimmer, MdEP

15:30 Kaffeepause

16:00  Strategien im Umgang mit Armut und Möglichkeiten der Selbstorganisation

  • Armutsbekämpfung – Armutslinderung – Einbezug von Betroffenen. Möglichkeiten und Grenzen der verbandlichen Arbeit
    Michaela Hofmann, bis März 2013 stellv.  Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz,  Referentin für Armutsfragen beim Diözesan-Caritasverband Köln
  • Projekte und Praktiken von Erwerbslosengruppen im Alltagskampf gegen Armut und Marginalisierung
    Martin Behrsing (Erwerbslosenforum) und Frank Jäger, (Tacheles e.V. sowie  Guido Grüner und Michael Bättig (Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg).

17:30

  • Das Bild der Armut in der Öffentlichkeit
    Kathrin Hartmann, 
    freie Journalistin, Autorin von „Ende der Märchenstunde“ und „Wir müssen leider draußen bleiben – Die neue Armut in der Konsumgesellschaft“
  • Portionierte Armut: Thematisierung der Armut in den Medien
    Wolfgang Storz,
    Medien- und Kommunikationsberater, ehem. Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“, zusammen mit Hans-Jürgen Arlt Autor der RLS-Studie „Portionierte Armut, Blackbox Reichtum“

19:00   Ende der Konferenz

Heinrich Alt betreibt plumpe Stimmung gegenüber Hartz IV-Familien

Heinrich Alt Quelle: BA

Heinrich Alt Quelle: BA

Bonn – Die Bundesagentur für Arbeit will laut einem Zeitungsbericht offensichtlich noch mehr Druck auf Familien ausüben, die auf Hartz IV-Leistungen angewiesen sind. Mit der bundesweiten Aktion „Jobs für Eltern“ sollen Eltern schulpflichtiger Kinder schneller wieder eine Arbeit finden, so BA-Vizepräsident Heinrich Alt gegenüber „Leipziger Volkszeitung“. Das Erwerbslosen Forum Deutschland zeigte sich irritiert und warf Heinrich Alt eine plumpe Stimmungsmache gegen Hartz IV-Beziehende in Wahlkampfzeiten vor.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:
„Wenn schon Druck ausgeübt werden soll, dann doch gerade gegenüber den Unternehmen, die sich dank Hartz IV hemmungslos bereichern konnten, indem sie sich Hungerlöhne auch noch subventionieren ließen „Ganz bestimmt sind nicht die Eltern mit Hartz IV-Leistungen für die hausgemachten Probleme der Unternehmen zuständig. Den angeblichen Fachkräftemangel haben sich die Betriebe selbst zu zuschreiben, weil sie sich aus der Verantwortung für Aus- und Weiterbildung und der Bezahlung eines auskömmlichen Lohns verabschiedet haben.

Erneut müssen wir feststellen, dass Heinrich Alt wieder mal plumpe Stimmung gegenüber Eltern mit Hartz IV-Leistungen macht und die Realität verdreht. Jetzt bringt er auch deren Kinder mit ins Spiel und tut scheinheilig so, dass deren Eltern nie gelernt hätten, dass Lernen und Arbeiten zum Leben gehört. Deshalb sind sie schlechte Vorbilder und brauchen Druck. Für uns ist die Aktion ‚Jobs für Eltern‘ zu einere miesen Kampagne gegenüber Eltern mit Hartz IV-Leistungen verkommen.

 

Pressemeldung vom 28.08.2012

Abstruse Spartipps des Jobcenters – Verhöhnung von Hartz IV-Beziehenden

jobcenter_pinnebergHartz IV-Empfänger sollen ihre alten Möbel verkaufen, Leitungswasser trinken, Vegetarier werden und duschen statt baden. Das rät das Jobcenter Pinneberg nach einem Bericht der „Bild-Zeitung“ (Donnerstagausgabe) in einer neuen Broschüre, Der Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt hat diese ausdrücklich gelobt. Die 112-seitige Broschüre enthält dabei äußerst fragwürdige Tipps und schildert das Schicksal einer Hartz-Familie in Bildern. Mit Komik-Bildern wird gezeigt, wie eine „Familie Fischer“ Hartz IV beantragt – und in Windeseile wieder Arbeit findet. Zuvor jedoch werden neue Einkommensquellen erschlossen, indem die Möbel im Internet verhöckert werden und auf Getränke verzichtet wird. Dafür soll Leitungswasser getrunken werden. Geraten wird zu Duschen, statt ein Vollbad zu nehmen . „Auf diese Weise können Sie mehrere Euro im Jahr sparen“, heißt es in der Broschüre. Letztendlich sollen Hartz IV-Beziehende Steine in den Toilettenkasten legen, u m Wasser zu sparen.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Es müssen wohl äußerst schlechte Drogen gewesen sein, die die Macher dieser Broschüre eingenommen haben, um auf 112 Seiten soviel geschmacklosen Unsinn zu verbreiten. Als ob die Situation für Menschen, die Hartz IV beantragen müssen nicht schon schlimm genug ist. Mit dieser Broschüre werden sie gerade zu verhöhnt. Gleichzeitig wird ein verachtendes Menschenbild transportiert das Thilo Sarrazin kaum überbieten kann.
Es geht bei Hartz IV ganz bestimmt nicht um dümmliche Spartipps, sondern um ein menschenwürdiges Existenzminimum, wovon Hartz IV weit entfernt ist. Indirekt gibt die Broschüre ja wenigstens zu, dass es von vorne bis hinten nicht reicht. Besonders Kindern wird hier deutlich gemacht, dass sie nun verzichten müssen, weil ihr Vater 51 Jahre und arbeitslos ist. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass Pinnberger so schnell einen Job finden, wie es in der Broschüre beschrieben wird.“

Verdeckte Armut– Hartz IV-Regelsatzberechnung ist falsch!

h4-tischJobcenter verhindern oftmals Leistungsanträge

Bonn – Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ verzichten zwischen 34 und 44 Prozent auf Hartz IV-Leistungen, obwohl sie darauf einen Anspruch hätten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. „Demnach ist die Berechnung der Hartz IV-Regelsätze falsch, weil nach wie vor die verdeckte Armut nicht herausgerechnet wurde. Damit wird erneut deutlich, dass Hartz IV menschenunwürdig ist“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. Die Initiative fordert eine Anhebung der Regelsätze. Grundlage könnte das Positionspapier des im Dezember gegründeten Bündnisses für ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ sein. ‚Erstmals hatten Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände und Bauern und Umweltverbände sich gemeinsam für deutlich höhere Regelsätze ausgesprochen.

Gründe, warum keine Leistungen beantragt werden, nennt das IAB in der Studie Unwissenheit, Scham oder eine nur sehr geringe zu erwartende Leistungshöhe. Die Linken-Vorsitzende, Katja Kipping sieht als Ursache auch die entwürdigende Prozedur in den Jobcentern.

„Dem können wir nur beipflichten. Viele Jobcenter müssen sich auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie aktiv daran mitwirken, um einen Leistungsantrag zu verhindern bzw. Menschen aus dem Leistungsbezug zu drängen“ so Behrsing weiter. Bestätigt fühlt sich das Erwerbslosen Forum Deutschland durch einen Vorstandsbrief der Bundesagentur für Arbeit zur „Planung und Steuerung der gemeinsamen Einrichtungen der Grundsicherung“ für 2013. So heißt es in dem Vorwort: „Der Erfolg unserer Anstrengungen wird in den nächsten Jahren noch mehr am Abbau des Langzeitleistungsbezugs gemessen.“ Für Behrsing heißt das: „Nicht Abbau der Arbeitslosigkeit ist das Ziel, sondern Abbau des Leistungsbezugs ist Parameter für erfolgreiche Arbeit. Und dazu scheinen alle Mittel recht zu sein.“

Als ein Beispiel nennt die Initiative: „Sogenannte Kunden versagt man auch mal gerne die Leistungen, weil sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind. Eine beliebte Methode ist, dass man dabei irgendwelche Unterlagen wiederholt anfordert, die angeblich nie angekommen sind. Dabei wird jedes Mal die Versagung der Leistung angedroht. Selbst wenn man Nachweise über die Abgabe der Unterlagen hat, scheint das auch wenig zu nutzen, wenn man nicht gerade rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.