Hartz IV-Sätze weiterhin umstitten – Expertenanhörung im Bundestag

Berlin: (hib/ELA/TYH) Die neuen Hartz-IV-Regelsätze und das Bildungspaket für Kinder stießen bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am heutigen Montag auf ein geteiltes Echo. Während einige Sachverständige die neuen Sätze des Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (17/3404) als transparent berechnet und verfassungskonform bezeichneten, zweifelten andere die Verfassungsmäßigkeit an.

Die Bundesregierung habe eine ”anerkannte Methode“ der Berechnung der Sätze benutzt, sagte Professor Georg Cremer von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V.. Die Berechnungen genügten den ”Ansprüchen“, die die Karlsruher Richter formuliert hätten, ergänzte Reiner Höft-Dzemski vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.. Gleichwohl äußerte der Sozialexperte Kritik: Die veränderte Berechnung des Regelbedarfs von Erwachsenen auf Grundlage der untersten 15 Prozent der Einpersonenhaushalte anstelle der untersten 20 Prozent wie bisher üblich sei zwar ”hinsichtlich der statistischen Zuverlässigkeit ausreichend“, sagte Cremer. Doch fehlte im Gesetzentwurf ”jegliche Begründung für die Abweichung“. Er plädiere daher für die untersten 20 Prozent, sonst könne der Eindruck entstehen, dass die Regierung die Veränderung vorgenommen habe, um einen Anstieg der Sätze zu vermeiden.

Verfassungsrechtliche Bedenken an den neuen Regelsätzen äußerte Dr. Jürgen Borchert. Je genauer man bei den statistischen Verfahren hinschaue, ”desto mehr Zweifel stellen sich ein“, sagte der Sozialrichter. Seine Hauptkritikpunkte: Die Abweichung von 20 auf 15 Prozent bei der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte, die Tatsache, dass so genannten ”verdeckt Arme“ nicht aus der Stichprobe heraus gerechnet worden seien und dass bestimmte Berechnungsverfahren von Einpersonenhaushalten auf Familien übertragen würden. Zudem gebe es in dem Datenmaterial eine ”Fülle von Ungereimtheiten“, sagte Borchert. Auch die Einzelsachverständige Professor Anne Lenze hält ”das gesamte Paket für verfassungsrechtlich höchst riskant“. Ebenfalls kritisch äußerte sich Ragnar Hoenig vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Problematisch sei die Berechnung der Kinderregelsätze, die ”statistisch unsicher“ seien. Daher halte er weitere Untersuchungen für erforderlich.

Das 700-Millionen-Euro-Bildungspaket für Kinder stieß bei der Mehrheit der Sachverständigen auf grundsätzliche Zustimmung. Das Paket sei ”sachgerecht und zielführend“, sagte Dr. Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag. Durch das Gutscheinsystem sei – anders als bei Geldleistung – leichter zu bewerkstelligen, dass die Hilfe auch bei den Kinder ankomme. Gleichwohl sah sie wie auch viele andere Experten große administrative Schwierigkeiten. Einige Experten warnten vor Parallelstrukturen zur schon bestehenden Kinder- und Jugendhilfe, wenn künftig auch die Jobcenter zuständig sein sollten. Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit (BA) versicherte, die BA sei in intensiven Gesprächen mit den Kommunen, den Trägern der Jugendhilfe und den Wohlfahrtsverbänden. ”Wir werden eine Umsetzung hinkriegen, die akzeptabel ist“, sagte Alt.

Einige Experten kritisierten den bürokratischen Aufwand, der mit dem Bildungspaket verbunden sein werde. Die zu erwartenden Kosten des Verfahrens stünden in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert der Leistungen, sagte Rolf-Dietrich Kammer vom Bundesrechnungshof. ”Mindestens ein Viertel der Leistungen geht in Bürokratiekosten“, schätzte der Einzelsachverständige Norbert Struck. Einige Experten plädierten dafür, statt der vielen einzelnen Maßnahmen des Pakets die Infrastruktur für Bildung insgesamt flächendeckend besser auszubauen. Ingo Kolf vom Deutschen Gewerkschaftsbund nannte als Beispiele die Schulsozialarbeit oder auch den Ausbau der Kitas. Die Einzelsachverständige Dr. Irene Becker begrüßte das Bildungspaket zwar grundsätzlich, mahnte jedoch mehr Transparenz an. Es sei unklar, wie die Regierung auf 10 Euro pro Monat für die Mitgliedschaft in den Bereichen Sport oder Musik komme. Das Geld reiche weder für das Erlernen eines Instruments noch für eine Vereinsmitgliedschaft.

Zeitung: BA will Umsetzung des Bildungspakets den Kommunen überlassen

Zeitung: BA will Umsetzung des Bildungspakets den Kommunen überlassen

Düsseldorf  – Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Umsetzung des Bildungspakets für Kinder aus Hartz IV-Familien den Hand der Kommunen überlassen. „Unser Ziel ist es, von vornherein die Kommunen einzubinden, da sie im Bereich der Sozial- und Jugendarbeit die größeren Erfahrungen mitbringen“, sagte BA-Vorstand Heinrich Alt der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). Es sei eine gute Option, die „Aufgaben aus der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets an die Kommunen“ zu übertragen. Derzeit verschaffe sich die Arbeitsagentur bundesweit einen Überblick darüber, „welche Angebote in den Bereichen Nachhilfe, Kultur, Sport oder Mittagessen bereits zur Verfügung stünden.  „In einem zweiten Schritt werden wir mit den Leistungsanbietern die Gespräche aufnehmen und sogenannte Leistungsvereinbarungen abschließen“, sagte Alt.

Die Hilfen zur Bildung für Kinder aus Hartz IV-Familien müssten am 1. Januar 2011 starten.  Dies ist derzeit fraglich, da der vorgelegte Gesetzentwurf von Opposition und zahlreichen Bundesländern abgelehnt wird. Die Bundesregierung ist auf die Zustimmung der Länder im Bundesrat angewiesen.

ots, Martin Behrsing

NRW-Landtag lehnt Verschlechterungen bei Hartz IV ab

Düsseldorf – Der Landtag von NRW lehnt die von der Bundesregierung geplanten Verschlechterungen bei den Kosten der Unterkunft und Heizung für Menschen im ALG-II-Bezug ab. Auf Drängen der LINKEN wurde am Donnerstag im Landtag ein entsprechender Beschluss gefasst.

Nach Überzeugung der Linksfraktion dürfen die Finanznöte der Kommunen nicht auf Kosten der Ärmsten gelindert werden. Eben dies ist aber von der Bundesregierung geplant. „Die im aktuellen Hartz-IV-Gesetzesentwurf von Arbeitsministerin von der Leyen vorgesehenen Pauschalisierungen und Angemessenheitsgrenzen für Ansprüche auf Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung führen faktisch zu Leistungskürzungen. Diesem Anschlag auf die Rechte von Hartz-IV-Bezieher/innen wurde heute ein erster Riegel vorgeschoben“ kommentiert Dr. Carolin Butterwegge, Sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Butterwegge machte im Landtag noch einmal deutlich, dass DIE LINKE die Hartz-Gesetze auch weiterhin grundsätzlich ablehnt.

Mit dem am Donnerstag verabschiedeten Beschluss haben SPD und Grüne sich dazu verpflichtet, eine entsprechende Pauschalisierung oder eine Begrenzung der Kosten der Unterkunft in NRW nicht umzusetzen. Die Landesregierung steht nun im Wort. „Arbeitsminister Schneider muss jetzt sicherstellen, dass es zu den von der Bundesregierung vorgesehenen Satzungslösungen nicht kommt und die Kosten der Unterkunft und Heizung auch 2011 in gewohnter Höhe von den Kommunen übernommen werden.“

NRW: LINKE stellt Landesregierung auf den Hartz-IV-Prüfstand!

Düsseldorf – Zur heutigen Einreichung dreier Anfragen über die Position der Landesregierung in der aktuellen Hartz-IV-Debatte erklärt Dr. Carolin Butterwegge, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion die LINKE:

„Wir haben nicht vergessen, dass SPD und Grüne die Hartz-Gesetze gegen breiten gesellschaftlichen Widerstand durchgedrückt haben – mit der Folge der Verarmung zahlreicher Erwerbsloser und Beschäftigter. Nun müssen SPD und Grüne in NRW Farbe bekennen: Die Stimme von Nordrhein-Westfalen ist im Bundesrat entscheidend, um die Pläne von Arbeitsministerin von der Leyen, Hartz-IV-Betroffene mit einer Erhöhung von 5 Euro abspeisen zu wollen, verhindern zu können!

Die Landesregierung und insbesondere Ministerpräsidentin Kraft müssen in der Hartz-IV-Debatte nun endlich sagen, wofür sie stehen und was sie durchsetzen wollen.

Wenn die Landesregierung Niedriglöhne, Kinderarmut und Leiharbeit glaubhaft einschränken will, kann am Ende nur eine Rücknahme der Agenda 2010 und Hartz IV stehen!“

Anfragen: 15_527 15_528 15-529