Arbeitsmarktpolitik: Wie eine schizophrene Psychose

Quelle: R B by Gerd Altmann_pixeli

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Bonn – Mindestens 100.000 Menschen tauchen nicht in der Arbeitslosenstatistik auf. Möglich macht dies eine 2008 eingeführte Gesetzesänderung. Danach sind Personen, die mindestens 58 Jahre alt sind und wenigstens zwölf Monate Hartz IV beziehen, ohne ein Jobangebot bekommen zu haben, gelten nicht als arbeitslos. Und erst gestern wurde auch bekannt, dass mindestens jeder vierter neu gemeldeter Erwerbsloser sofort in Hartz IV rutscht. Das Erwerbslosen Forum Deutschland fordert Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen auf, endlich aus ihrem Schönwettertraum aufzuwachen und anzuerkennen, dass nicht gut in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Ein gesund denkender Mensch geht normalerweise davon aus, dass nicht als arbeitslos geltende Menschen Einkommensbezieher sind und nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind. Aber genau an solchen Phänomenen werden die pathologischen Formen der gesamten Hartz-Gesetzgebungen deutlich. Vergleichbar einer schizophrenen Psychose wird die Realität geleugnet und stattdessen einen Scheinwelt konstruiert und präsentiert. Als Ärztin müsste Ursula von der Leyen genau wissen, was Linderung in solchen Fällen ermöglicht: Die konsequente Einführung der Realität. Aber dann müsste sie eingestehen, dass nichts gut in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist und Versagen der Konzepte jeden Tag deutlicher wird.“

Hartz IV lässt Weihnachten kaum zu / Erschrocken über Respektlosigkeit gegenüber Hartz IV-Beziehenden

weihnachten-pixelio

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Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland erinnert daran, dass Hartz IV-Beziehende mittlerweile seit Jahren ein Weihnachtsfest in absoluter Bescheidenheit verbringen müssen, da im Hartz IV-Regelsatz solche Anlässe nicht vorgesehen sind. „Während Erwachsene sich eventuell damit arrangieren können, wird den Kindern aus Hartz IV-Haushalten besonders drastisch gezeigt, was sie unserem Staat wert sind“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. Während der Vermittlungsausschuss im Februar Erwachsenen fünf Euro mehr Hartz IV zubilligte, wurde der Regelsatz für Kinder und Jugendliche nicht erhöht. „Auch bei der längst fälligen Anpassung des Hartz IV-Satzes zum 1. Januar gehen Kinder und Jugendliche erneut leer aus“, so Behrsing weiter. Mit der sogenannten Hartz IV-Reform wurden gleichzeitig zahlreiche Positionen aus dem Regelsatz herausgestrichen, die angeblich nicht „existenzsichernd“ seien. So auch das Symbol von Weihnachten: Der Weihnachtsbaum.

Gehörte er noch bis 2010 zu den Positionen „Schnittblumen und Zimmerpflanzen“ der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) wurde mit der Neuberechnung wurde ab 2011 den Hartz IV-Leistungsbeziehern diese Position aberkannt. Die Gesetzesbegründung lautete: „Die Position Schnittblumen und Zimmerpflanzen gehören nicht zum erforderlichen Grundbedarf und sind nicht existenzsichernd. Sie werden deshalb auch nicht mehr für den Regelbedarf berücksichtigt.“

Erwerbslosen Forum Deutschland kritisiert blinde Sanktionswut der Jobcenter

In seinem diesjährigen Weihnachtsrundbrief * zeigte sich das Forum über die drastische Zunahme von Sanktionen gegenüber Hartz IV-Beziehenden erschrocken. Kletterte die Zahl der Sanktionen 2010 auf 800.000 hoch, so erwartet die Bundesagentur für Arbeit für 2011 noch mal einen Anstieg von 100.000 zusätzlich. „Wir sind darüber erschrocken, welchen Druck inzwischen die Jobcenter ausüben können. 2011 Jahr können wir zu Recht als das Jahr der blinden Sanktionswut bezeichnen“ heißt es in dem Weihnachtsrundbrief. Besonders junge Menschen, Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund seien davon besonders scharf betroffen. Die Sanktionswut mache auch nicht vor werdenden Müttern halt. Das Erwerbslosen Forum Deutschland sei 2011 immer wieder damit konfrontiert gewesen sein, dass selbst jungen schwangeren Frauen von Jobcentern auf Null sanktioniert wurden. In allen Fällen, wo die Initiative rechtliche Hilfe organisierte mussten die Jobcenter die Sanktionen ganz zurück nehmen.

Es wurden sich aber auch Beschwerden von jungen Schwangeren häufen, wonach es den Mitarbeitern in Jobcentern an der notwendigen Sensibilität und Respekt gegenüber werdenden Müttern mangelt, so das Resümee des Forums.

„Auf Grund dieser erschreckenden Fälle und Zahlen fordern wir die Politik auf, ein sofortiges Sanktionsmoratorium durch zusetzen, denn wenn Menschen sich rechtlich gegenüber Sanktionen wehren, sind die Jobcenter kaum erfolgreich und das darf nicht ignoriert werden“, so Behrsing in Bonn.

* http://www.erwerbslosenforum.de/

Änderungen bei den Hartz IV-Regelbedarfen ab Januar 2012

Nürnberg – Zum Jahreswechsel treten einige gesetzliche Änderungen in Kraft, die insbesondere Kunden der Grundsicherung betreffen. Darauf wies heute die Bundesagentur für Arbeit hin. Konkret gelten ab 1. Januar neue Regelbedarfe für Hartz IV. Alleinstehende und alleinerziehende Personen erhalten monatlich 374 Euro, also 10 Euro mehr. Mit der Erhöhung sollen die Preissteigerungen aufgefangen werden. Zudem orientieren sich die Anpassungen auch an der Lohnentwicklung und nicht mehr, wie bis 2009 an der Rentenentwicklung. Letztmalig wurde der Hartz IV-Regelsatz im Juli 2009 angepasst. Fachleute kritisieren, dass die jetzige Erhöhung um zehn Euro an der tatsächlichen Preissteigerung vorbei geht. Zudem wird kritisiert, dass bei Kindern und Jugendlichen keine Erhöhung vorgenommen wurde.

Konkret erhalten:

Alleinstehende und allerziehende Leistungsberechtigte: 374 Euro

Zwei in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebende Partner, jeweils: 337 Euro

Erwachsene Leistungsberechtigte, die keinen eigenen Haushalt und keinen gemeinsamen Haushalt mit einem Partner führen: 299 Euro

Jugendliche von 14 bis unter 18 Jahre: 287 Euro

Kinder von 6 bis unter 14 Jahre: 251 Euro

Kinder von 0 bis unter 6 Jahre: 219 Euro

Einige vom Regelbedarf abhängige Mehrbedarfe, zum Beispiel für Alleinerziehende, fallen ebenfalls höher aus. Die Anpassungen sollen automatisch von der Bundesagentur für Arbeit (BA) vorgenommen werden, damit sind gesonderte Anträge in den Jobcentern nicht erforderlich. Ebenfall erhalten alle  Bedarfsgemeinschaften bis Ende Dezember 2011 einen schriftlichen Bescheid über die für sie jeweils eintretenden Änderungen, so die BA laut einer Pressemitteilung.

Menschen, die am Bundesfreiwilligendienst oder Jugendfreiwilligendienst teilnehmen und ergänzend Hartz IV beziehen, dürfen künftig von ihrem Taschengeld 175 EUR monatlich behalten, ohne ihre Ausgaben (für Versicherungen und Werbungskosten) nachweisen zu müssen. Dabei werden 115 Euro laufende Ausgaben und 60 Euro Taschengeld zugrunde gelegt. Sind die laufenden Ausgaben nachgewiesen höher als 115 Euro, werden diese zuzüglich 60 Euro berücksichtigt.

Harz IV: Weihnachtsbaum seit 2011 gestrichen

Foto: Gabi Schönemann / Pixelio

Foto: Gabi Schönemann / Pixelio

Bonn – Am 1. April sind für Hartz IV-Leistungsbezieher die neuen Regelsätze rückwirkend zum 1. Januar in Kraft getreten. Nur ganze fünf Euro mehr gestand der Vermittlungsausschuss nach zähen Verhandlungen den erwachsenen Menschen zu, während Kindern und Jugendliche keine Erhöhungen bekamen. Mit der sogenannten Hartz IV-Reform wurden aus dem Regelsatz auch zahlreiche Positionen herausgestrichen, die angeblich nicht „existenzsichernd“ seien. Bekannte Beispiele sind die Streichung von Alkohol und Tabakwaren. „Was aber viele Menschen nicht wissen, dass der Weihnachtsbaum ebenfalls aus dem Regelsatz entfernt wurde, weil er nicht zum erforderlichen Grundbedarf gehöre“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.

Der Weihnachtsbaum gehörte noch bis 2010 zu den Positionen „Schnittblumen und Zimmerpflanzen“ der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS). Mit der Neuberechnung wurde ab 2011 den Hartz IV-Leistungsbeziehern diese Position aberkannt. Die Gesetzesbegründung lautete: „Die Position „Schnittblumen und Zimmerpflanzen“ gehören nicht zum erforderlichen Grundbedarf und sind nicht existenzsichernd. Sie werden deshalb auch nicht mehr für den Regelbedarf berücksichtigt.“ (Bundestags-Drucksache 17/3404 Seite 62).

„Mit Mehrheit von CDU, FDP und SPD wurde der Weihnachtsbaum und damit letztendlich auch das Weihnachtsfest endgültig gestrichen, weil es nicht zum erforderlichen Grundbedarf von Menschen in Armut gehört. Das angeblich vorrangige Ziel von Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU), die Bekämpfung von „Armut und sozialer Ausgrenzung“(*), wurde damit als Heuchelei entlarvt. Wie sich das mit der christlichen Grundhaltung unserer Arbeitsministerin verträgt, bleibt mir ein Rätsel“, sagte Martin Behrsing in Bonn.

(*) www.bmas.de

Anonymous droht Jobcentern mit Sanktionen

Mit einer Videobotschaft hat sich das Hacktivistenkollektiv Anonymous an die deutschen Jobcenter gewandt. In dem auf „You Tube“ verbreiteten Video nahm die Gruppe Stellung zur alltäglichen Hartz IV-Praxis der Schikane und Vermittlung in den Niedriglohnsektor. Die Hacker „können es nicht mehr verantworten, dass Arbeitsuchende vom Jobcenter schikaniert und in den Niedriglohnsektor vermittelt werden“. Die Jobcenter sollten das als „Warnung“ betrachten, denn man lasse sich „nicht länger versklaven und ausbeuten“, so die Botschaft von Anonymous.

Sollte diese Praxis nicht aufhören, würden die Jobcenter „sankioniert“. Die etwa 50 sekundige Botschaft endet damit, dass den Jobcenter mitgeteilt wird, dass „wir (Anonymous) sind viele. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwartet uns“. Ob Mitarbeiter in den Hartz IV-Behörden sich davon beeindrucken lassen, konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht festgestellt werden, da diese Botschaft wahrscheinlich noch nicht großartig bekannt ist.