Seit nunmehr vier Jahren rechnen die Jobcenter die Tilgung von Mietkautionsdarlehen wieder gegen den Regelbedarf auf. Wenn Bezieher von Leistungen nach dem SGB II umziehen, führt das regelmäßig zu einer längerfristigen Unterdeckung des Bedarfes. Dieser Praxis ist das Bundessozialgericht (BSG) jetzt entgegengetreten und hat entschieden, dass das Jobcenter die Tilgungsraten für das Mietkautionsdarlehen nicht einbehalten durfte.
Im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II stellen die Jobcenter unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 6 SGB II auch Darlehen für eine Mietkaution zur Verfügung. Da die Mietkaution sich nicht verbraucht, wird in der Regel kein Zuschuss bewilligt, sondern ein Darlehen. Seit In-Kraft-Treten des SGB II zum 1.1.2005 haben die Leistungsträger versucht durchzusetzen, dass diese Darlehen nicht erst bei Auszug oder Ende der Hilfebedürftigkeit zurückgezahlt werden, sondern während des laufenden Bezugs aus dem Regelbedarf. Dem sind die Gerichte schon 2006 entgegengetreten [vgl. zB LSG Stuttgart, 6.9.2006, L 13 AS 3108/06 ER-B].
Im Zuge der Hartz-IV-Reform im Jahr 2011 hat der Gesetzgeber mit § 42a SGB II eine Regelung eingefügt, auf deren Grundlage die Jobcenter seither wieder die Tilgung aus dem Regelbedarf verlangen [weitere Infos]. Ob das richtig ist, war bislang umstritten [vgl. SG Berlin, 30.9.2011, S 37 AS 24431/11 ER; LSG Potsdam einerseits: 20.10.2013, L 31 AS 1048/13 und andererseits: 18.11.2013, L 10 AS 1793/13 B PKH].
Nachdem das SG Freiburg (Urteil vom 6.11.2012, S 7 AS 937/12) und das LSG Stuttgart (Urteil vom 18.9.2013, L 3 5184/12) die Aufrechnung der Tilgung des Mietkautionsdarlehens gegen den Regelbedarf nicht beanstandet hatten, ließ das BSG die Revision im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren (B 4 AS 419/13 B) zu. Nachdem die Revision eingelegt und begründet worden war (B 4 AS 11/14 R), verstarb allerdings der Kläger. Die Aufrechnung war bis dahin nicht vollzogen worden, weil Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung entfalten (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG). § 39 SGB II sieht für diesen Fall keine Ausnahme vor. Dadurch entfiel das Rechtsschutzbedürfnis und damit die Zulässigkeit der Revision. Die Revision wurde deshalb zurückgenommen und beantragt, dass der Beklagte die Kosten des Verfahrens erstatte (§ 193 SGG).
Diesem Antrag hat der 4. Senat des BSG nun entsprochen. In der Begründung führt der Senat aus, dass der Kläger jedenfalls insoweit Erfolg gehabt hätte, als sich gegen die Aufrechnung wehrte. Der Senat hege „Zweifel [..], ob Mietkautionsdarlehen – jedenfalls bedingungslos – der Regelung des § 42a Abs. 2 S. 1 SGB II unterfallen“.
Auch wenn es sich lediglich um eine Kostenentscheidung handelt, die nur durch die drei Berufsrichterinnen und Berufsrichter ergeht, dürfte der 4. Senat des BSG damit klargestellt haben, dass die Tilgung von Mietkautionsdarlehen aus der Regelleistung auch nach neuem Recht weder gefordert, noch durch Aufrechnung erzwungen werden darf. Im noch anhängigen Verfahren B 4 AS 16/15 R wird die Frage erneut zu entscheiden sein. In diesem Verfahren ist dann eine ausführlichere Begründung zu erwarten, aus der wohl zu ersehen sein wird, wie die Zweifel daran, dass § 42a SGB II nach seinem Wortlaut so auszulegen ist, dass die Aufrechnung auch Mietkautionsdarlehen umfasst, rechtsdogmatisch zu begründen sind.
[Beschluss BSG vom 29.06.2015, B 4 AS 11/14 R]
www.srif.de/files/1436430395_E150285.pdf
[Revisionsbegründung] (rr)
http://www.sozialrecht-in-freiburg.de/index.php?menuid=1&downloadid=539&reporeid=0