Hartz IV-Reform: Von der Leyen will auf die Tube drücken – Grüne verlangen substanzielle Veränderungen

Berlin – Geht es nach dem Willen von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, dann soll der angestrebte Kompromiss zur Hartz IV-Reform schon im nächsten Monat stehen. „Mein Ziel ist, noch in diesem Jahr mit der Arbeitsgruppe alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir noch im Januar den Sack zumachen können“, sagte von der Leyen der „Bild am Sonntag“. Derweil hat der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Fritz Kuhn, „substanzielle Veränderungen“ am Gesetzentwurf verlangt. „Schwarz-gelb hat im Bundesrat keine Mehrheit. Niemand kann von uns verlangen, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der in einem halben Jahr wieder vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kassiert wird“, sagte Kuhn dem Tagesspiegel (Montagausgabe).

Wenn die Koalition glaube, es würde reichen, ein paar Millionen Euro fürs Bildungspaket draufzulegen, täusche sie sich. „Am Ende muss es verfassungskonforme Regelsätze und ein praxistaugliches Bildungspaket geben.“ Kuhn forderte unter anderem eine andere Methode zur Berechnung des Regelsatzes. „Der Regelsatz darf sich nicht nach der Kassenlage richten, sondern muss das soziokulturelle Existenzminimum abdecken. So wie er jetzt berechnet wurde, halte ich ihn nicht für verfassungskonform.“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller mahnte im Tagesspiegel alle Beteiligten, „zügig“ zu einem Ergebnis zu kommen. Er bezeichnete es als „wünschenswert“, dass bis Mitte Januar ein erster Kompromissvorschlag auf dem Tisch liege. „Je länger die SPD einen Kompromiss blockiert, desto länger müssen die Hilfebedürftigen auf die Erhöhung des Regelsatzes und die zwei Millionen Kinder auf Bildungsleistungen warten“, sagte Müller. Einigungsmöglichkeiten mit SPD und Grünen sieht Müller in erster Linie beim Bildungspaket. „Es gibt bei Regierung und Opposition den gemeinsamen Willen, etwas für die Kinder der Schwächsten in dieser Gesellschaft zu tun“, sagte er. Eine Erhöhung des Regelsatzes über die bisher geplanten fünf Euro hinaus bezeichnete Müller als problematisch. „Wenn der Regelsatz stärker steigt, wird das Lohnabstandsgebot ad absurdum geführt. Wer arbeitet, sollte mehr Geld haben als jemand, der nicht arbeitet.“ Die Opposition habe bisher außerdem noch keine Vorschläge gemacht, woher das Geld für eine weitere Erhöhung kommen solle.

Die sogenannte Hartz IV-Reform war nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 9. Februar dieses Jahres notwendig, weil die bisherige Berechnungsgrundlage des Hartz IV-Satzes für verfassungswidrig erklärt wurde und eine Neuregelung bis Jahresende verlangt hatte. Der von Schwarz-Gelb vorgelegte Gesetzentwurf war am Freitag im Bundesrat gescheitert. Nun müssen Koalition und Opposition im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss aushandeln. Experten gehen davon aus, dass sich das Verfahren bis zum Frühjahr hinziehen kann. Ab dem 1. Januar haben die Harzt IV-Bescheide dann keine rechtliche Grundlage mehr. Der Berliner Sozialrechtler Prof. Münder betonte, dass dann das „Richterrecht“ gelten würde. Das heißt, Gerichte müssten sich mit den Klagen befassen und jeweils individuell einen Hartz IV-Satz festlegen.

Pr-sozial, ots

Hartz-IV: Worte zählen nur mit Taten – Landesregierung muss sich für Verbesserungen einsetzen!

Zur am Freitag im Bundesrat erwarteten Ablehnung der Hartz-IV-Reformpläne kommentiert Carolin Butterwegge, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE:

„Nachdem der Landtag NRW bereits Anfang Dezember einem Antrag der Fraktion DIE LINKE folgte und eine Klage gegen die Regelsatzreform beschloss, zeigt NRW nun erneut klare Kante gegen die Pläne der Bundesregierung. Auf entsprechende Forderungen der LINKEN hat die Landesregierung reagiert und lehnt nun nicht nur die verfehlte Regelsatzberechnung sondern auch weitere Verschlechterungen wie die Verschärfung der Einkommensanrechnung und der Sanktionen ab.“

„Papier ist aber geduldig: Wir erwarten von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Sozial- und Arbeitsminister Guntram Schneider nun konkrete Taten. Lediglich mehr Sozialarbeiter an Schulen zu fordern, wie es die SPD derzeit ankündigt, hilft Hartz-IV-Betroffenen nicht weiter. Die Landesregierung muss jetzt konkrete Verbesserungen durchsetzen: Dazu gehören mindestens eine deutliche Regelsatzerhöhung, ein Sanktionsmoratorium und ein erhöhter Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung.“

Carolin Butterwegge ergänzt: „Wer den nachsorgenden Sozialstaat entsorgt, verabschiedet sich vom politischen Handeln. Statt eines immer stärkeren Zwanges zur Flexibilität und Selbstausbeutung von Arbeitnehmer(inne)n und Erwerbslosen brauchen wir eine Sozialstaatspolitik, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt und den Märkten die Zügel anlegt.“

Die Antworten der Landesregierung zu ihrer Position zu den aktuellen SGB-II-Plänen der Bundesregierung in Bezug auf angekündigte Verschärfungen, sozio-kulturelles Existenzminimum und Teilhabepaket werden am Freitag, den 17.12.2010 unter den Drucksachen-Nummer 15/922 bis 15/924 auf der Homepage des Landtag NRW veröffentlicht. ( http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/home.jsp)

„Unser Politikblog“: Hartz IV verstößt gegen UNO-Sozialpakt

(Bild: Bismarckturm|Copyleft: Unser Politikblog)

(Bild: Bismarckturm|Copyleft: Unser Politikblog)

Aufruf an ALG II-Bezieher/innen sich auf UNO-Menschenrechte zu beziehen

Hartz IV-Beziehende sollten sich bei der Durchsetzung ihrer Rechte auf UNO-Menchenrechte beziehen. Nach Ansicht von „Unser Politikblog“ verstößt Hartz IV gegen den UN-Sozialpakt. Deshalb stellt der Blog 3 Videos zur Verfügung.

„Ab 2011 sollen die Hartz IV – Sätze nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu berechnet werden. Von den meisten Konzernmedien ignoriert wird dabei, dass Hartz IV gegen den Uno-Sozialpakt noch weitaus mehr als gegen das Grundgesetz verstößt, was nur leider bisher noch niemand vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht hat. Ein Zeichen, wie weit sich Regierung und Parlamente, vor allem aber auch bestimmte Medien, von deren Gunst sich manche Politiker abhängig fühlen, von jeglichem Gespür für die universellen Menschenrechte und deren Unveräußerlichkeit gem. Art. 1 Abs. 2 GG entfernt haben.

Dieses Video leistet einen spürbaren Beitrag dazu, dass sich Hartz IV – Empfänger wirksamer und durchsetzungsfähiger als bisher auf ihre stärksten sozialen Menschenrechte berufen, die sie haben – die Menschenrechte des Uno-Sozialpaktes. Verbreiten Sie dieses Video und den Link zu diesem Video bitte, soweit sie können. Insbesondere auch, bevor die Neuregelung von Hartz IV beschlossen wird bzw. in Kraft tritt,“ so „Unser Politikblog“.

Videos:

1. Teil: watch?v=adv3H81Y4og&feature=related

2. Teil: watch?v=QgIoUTdhU0E&feature=related

3. Teil: watch?v=LVpgk0zSjow&feature=related

Der Staat, und damit in besonderem Parlament und Regierung gegenüber dem Souverän (dem Volk), ist in besonderem Maße verpflichtet, auch die sozialen Menschenrechte nicht nur zu ach- ten, sondern auch zu schützen und zu gewährleisten.

Machen Sie Ihre Verbandsvertreter und die Politiker Ihres Vertrauens munter, sich endlich auch für die Durchsetzung Ihrer Menschenrechte aus dem Sozialpakt einzusetzen – oder wählen Sie diese einfach ab. Wenn die Politiker gar nicht in der Lage sein sollten, unsere Grundrechte und unsere universellen Menschenrechte durchzusetzen, wird uns bald vielleicht nichts anderes mehr übrig bleiben, als alle Gesetze in die Hände des Souveräns zu geben, d. h., Volksabstimmungen zu unterwerfen.

Quelle: http://unser-politikblog.blogspot.com/2010/11/unser-politikblog-ruft-alg-2-bezieher.html

Hartz IV-Sätze weiterhin umstitten – Expertenanhörung im Bundestag

Berlin: (hib/ELA/TYH) Die neuen Hartz-IV-Regelsätze und das Bildungspaket für Kinder stießen bei der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am heutigen Montag auf ein geteiltes Echo. Während einige Sachverständige die neuen Sätze des Gesetzentwurfs der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (17/3404) als transparent berechnet und verfassungskonform bezeichneten, zweifelten andere die Verfassungsmäßigkeit an.

Die Bundesregierung habe eine ”anerkannte Methode“ der Berechnung der Sätze benutzt, sagte Professor Georg Cremer von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V.. Die Berechnungen genügten den ”Ansprüchen“, die die Karlsruher Richter formuliert hätten, ergänzte Reiner Höft-Dzemski vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.. Gleichwohl äußerte der Sozialexperte Kritik: Die veränderte Berechnung des Regelbedarfs von Erwachsenen auf Grundlage der untersten 15 Prozent der Einpersonenhaushalte anstelle der untersten 20 Prozent wie bisher üblich sei zwar ”hinsichtlich der statistischen Zuverlässigkeit ausreichend“, sagte Cremer. Doch fehlte im Gesetzentwurf ”jegliche Begründung für die Abweichung“. Er plädiere daher für die untersten 20 Prozent, sonst könne der Eindruck entstehen, dass die Regierung die Veränderung vorgenommen habe, um einen Anstieg der Sätze zu vermeiden.

Verfassungsrechtliche Bedenken an den neuen Regelsätzen äußerte Dr. Jürgen Borchert. Je genauer man bei den statistischen Verfahren hinschaue, ”desto mehr Zweifel stellen sich ein“, sagte der Sozialrichter. Seine Hauptkritikpunkte: Die Abweichung von 20 auf 15 Prozent bei der Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte, die Tatsache, dass so genannten ”verdeckt Arme“ nicht aus der Stichprobe heraus gerechnet worden seien und dass bestimmte Berechnungsverfahren von Einpersonenhaushalten auf Familien übertragen würden. Zudem gebe es in dem Datenmaterial eine ”Fülle von Ungereimtheiten“, sagte Borchert. Auch die Einzelsachverständige Professor Anne Lenze hält ”das gesamte Paket für verfassungsrechtlich höchst riskant“. Ebenfalls kritisch äußerte sich Ragnar Hoenig vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Problematisch sei die Berechnung der Kinderregelsätze, die ”statistisch unsicher“ seien. Daher halte er weitere Untersuchungen für erforderlich.

Das 700-Millionen-Euro-Bildungspaket für Kinder stieß bei der Mehrheit der Sachverständigen auf grundsätzliche Zustimmung. Das Paket sei ”sachgerecht und zielführend“, sagte Dr. Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag. Durch das Gutscheinsystem sei – anders als bei Geldleistung – leichter zu bewerkstelligen, dass die Hilfe auch bei den Kinder ankomme. Gleichwohl sah sie wie auch viele andere Experten große administrative Schwierigkeiten. Einige Experten warnten vor Parallelstrukturen zur schon bestehenden Kinder- und Jugendhilfe, wenn künftig auch die Jobcenter zuständig sein sollten. Heinrich Alt von der Bundesagentur für Arbeit (BA) versicherte, die BA sei in intensiven Gesprächen mit den Kommunen, den Trägern der Jugendhilfe und den Wohlfahrtsverbänden. ”Wir werden eine Umsetzung hinkriegen, die akzeptabel ist“, sagte Alt.

Einige Experten kritisierten den bürokratischen Aufwand, der mit dem Bildungspaket verbunden sein werde. Die zu erwartenden Kosten des Verfahrens stünden in keinem angemessenen Verhältnis zum Wert der Leistungen, sagte Rolf-Dietrich Kammer vom Bundesrechnungshof. ”Mindestens ein Viertel der Leistungen geht in Bürokratiekosten“, schätzte der Einzelsachverständige Norbert Struck. Einige Experten plädierten dafür, statt der vielen einzelnen Maßnahmen des Pakets die Infrastruktur für Bildung insgesamt flächendeckend besser auszubauen. Ingo Kolf vom Deutschen Gewerkschaftsbund nannte als Beispiele die Schulsozialarbeit oder auch den Ausbau der Kitas. Die Einzelsachverständige Dr. Irene Becker begrüßte das Bildungspaket zwar grundsätzlich, mahnte jedoch mehr Transparenz an. Es sei unklar, wie die Regierung auf 10 Euro pro Monat für die Mitgliedschaft in den Bereichen Sport oder Musik komme. Das Geld reiche weder für das Erlernen eines Instruments noch für eine Vereinsmitgliedschaft.

Zeitung: BA will Umsetzung des Bildungspakets den Kommunen überlassen

Zeitung: BA will Umsetzung des Bildungspakets den Kommunen überlassen

Düsseldorf  – Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Umsetzung des Bildungspakets für Kinder aus Hartz IV-Familien den Hand der Kommunen überlassen. „Unser Ziel ist es, von vornherein die Kommunen einzubinden, da sie im Bereich der Sozial- und Jugendarbeit die größeren Erfahrungen mitbringen“, sagte BA-Vorstand Heinrich Alt der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Samstagausgabe). Es sei eine gute Option, die „Aufgaben aus der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets an die Kommunen“ zu übertragen. Derzeit verschaffe sich die Arbeitsagentur bundesweit einen Überblick darüber, „welche Angebote in den Bereichen Nachhilfe, Kultur, Sport oder Mittagessen bereits zur Verfügung stünden.  „In einem zweiten Schritt werden wir mit den Leistungsanbietern die Gespräche aufnehmen und sogenannte Leistungsvereinbarungen abschließen“, sagte Alt.

Die Hilfen zur Bildung für Kinder aus Hartz IV-Familien müssten am 1. Januar 2011 starten.  Dies ist derzeit fraglich, da der vorgelegte Gesetzentwurf von Opposition und zahlreichen Bundesländern abgelehnt wird. Die Bundesregierung ist auf die Zustimmung der Länder im Bundesrat angewiesen.

ots, Martin Behrsing