Presseamt Bonn führt schwangere Hartz IV-Bezieherin regelrecht vor

schwanger-Pixelio-RonnySenst

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Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland machte in einer Pressemeldung (1) vom 12.August auf den Fall einer hochschwangeren Hartz IV-Bezieherin aufmerksam, der das Jobcenter Bonn alle Hartz IV-Leistungen gestrichen hatte, nachdem sie trotz ärztlich verordneter Bettruhe einen Termin bei ihrer Fallmanagerin nicht wahrgenommen hatte. Das Presseamt der  Stadt Bonn reagierte nun gegenüber dem „Bonner General-Anzeiger“ mit einer Darstellung, die aus Sicht des Erwerbslosen Forum Deutschland falsch ist und die junge Frau regelrecht vorführt. So wurde Elke Palm vom städtischen Presseamt  in der heutigen Ausgabe der Zeitung zitiert:„die Frau ist zu sechs Terminen unentschuldigt nicht erschienen“ und dass dem Jobcenter bis „zur Entscheidung über die Leistungskürzung nicht bekannt gewesen sei, dass die Tannenbuscherin schwanger sei“(2). Das Erwerbslosenforum wirft dem städtischen Presseamt vor, ungeprüft eine falsche Darstellung des Jobcenters übernommen zu haben.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Ich bin sehr erstaunt darüber, dass das Jobcenter angeblich erst Ende Juli von der Schwangerschaft der jungen Frau gewusst hätte. Uns liegt ein Leistungsbescheid des  Jobcenters Bonn vom 11. April vor, wo der jungen Frau bereits im April ein Mehrbedarf wegen Schwangerschaft gewährt wurde. Schwangere Frauen haben ab der 13. Schwangerschaftswoche einen Anspruch auf diesen Mehrbedarf. Dieser wurde ihr auch korrekt gewährt. Ebenfalls hat sie auch nicht bei Terminen unentschuldigt gefehlt, sondern hatte entsprechende Krankmeldung. Auch diese liegen uns vor.

Somit sind die Aussagen des städtischen Presseamts falsch und werfen ein schiefes Licht auf die junge Frau. Für solch eine Darstellung fehlt uns jedes Verständnis. Anstatt den Fall ganz des skandalösen Totalleistungsentzug ganz schnell im Sinne der schwangeren Frau in Ordnung zu bringen, wird der Leistungsentzug auch noch gerechtfertigt, indem man versucht die junge Frau vorzuführen. Der Schutz des ungeborenen Lebens und die Gesundheit der werdenden Mutter scheinen dabei nicht zu interessieren.

Der Fall ist inzwischen als Eilklage beim Sozialgericht. Wir raten dem Jobcenter dringend zu einem Anerkenntnis, damit die junge Frau wider ihre Leistungen erhält und sich auf die Geburt ihres Kindes vorbereiten kann. Das Ganze ist bereits jetzt schon ein Skandal und sollte schleunigst beendigt werden.“

(1) http://www.elo-forum.net/topstory/2011081132472.html

(2) http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=loka&itemid=10490&detailid=926242

Jobcenter Bonn streicht Hochschwangeren alle Leistungen

Trotz ärztlich verordneter Bettruhe sollte sie zur Fallmanagerin

Bonn – Das Jobcenter Bonn hat einer im 7. Monat schwangeren Frau alle Hartz IV-Leistungen gestrichen, weil sie trotz ärztlich verordneter Bettruhe einen Termin bei ihrer Fallmanagerin nicht wahrgenommen hatte. Sie wäre „trotz Belehrung über die Rechtsfolgen der Aufforderung zur Mitwirkung“ nicht nachgekommen, hieß es in dem Schreiben an die junge muslimische Frau. Für das Erwerbslosen Forum Deutschland ist das ein Fall einer groben rechtswidrigen Entscheidung, weshalb die Initiative der werdenden Mutter umgehend einen Rechtsanwalt besorgt hatte. Dieser wird nun eine Eilklage beim Sozialgericht einreichen, da die Bonner Hartz IV-Behörde auf den vorige Woche eingelegten Widerspruch trotz Dringlichkeit und Fristsetzung bis heute nicht angemessen reagiert hat.

Für das Erwerbslosen Forum Deutschland stellt dieser Fall eine neue Qualität des Rechtsmissbrauchs dar, nachdem die Initiative im Frühjahr auf mehrere Fälle aufmerksam gemacht hatte, weil Jobcenter Schwangere wegen des Abbruchs oder der Ablehnung unzumutbarer Ein-Euro-Jobs zu sanktionieren versuchten. „Das Bonner Jobcenter setzt noch einen drauf und streicht direkt die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung, obwohl die Mitwirkungspflichten überhaupt nichts mit einem Termin bei der Fallmanagerin zu tun haben. Damit werden der grundgesetzlich verankerte Schutz des ungeborenen Lebens und die Gesundheit der werdenden Mutter krass missachtet. So viel Ignoranz gegenüber einer Schwangeren, die zudem noch krank ist, habe ich selten erlebt. Gleichzeitig bin darüber erschrocken, welche mangelnde Sensibilität und sozialrechtliche  Inkompetenz Mitarbeiter in den Hartz IV-Verwatlungen haben“, so Martin Behrsing, der Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.

Mit einer Schwangerschaft beginnt für Hartz IV-Bezieherinnen oftmals eine Odyssee durch den deutschen Sozialstaat, bei der ganz schnell das ungeborene Leben unter die Räder kommt“, berichtet Behrsing.
In jüngster Vergangenheit war das Erwerbslosen Forum Deutschland immer wieder damit konfrontiert, dass junge schwangere Frauen, die im Hartz IV-Bezug stehen, von Jobcentern auf Null sanktioniert wurden. In einigen Fällen wurden den werdenden Müttern rechtliche Hilfe besorgt. Daraufhin mussten die Jobcenter die Sanktionen zurücknehmen. Ebenso häuften sich auch Beschwerden von Schwangeren, wonach es den Mitarbeitern in Jobcentern an der notwendigen Sensibilität und Respekt gegenüber werdenden Müttern mangelte, Anträge zum Teil unvollständig oder viel zu spät bearbeitet wurden und Mitarbeiter mangelhaftes rechtliches Fachwissen aufwiesen.
Die Beobachtungen der Initiative decken sich mit den Ergebnissen der von der „Mutter-Kind-Stiftung“ in NRW in Auftrag gegebenen Befragung an Schwangeren und ihren Erfahrungen mit den Jobcentern. Von rund 14.000 Fällen, in denen im ersten Quartal 2010 bedürftige schwangere Frauen Kontakte mit den ARGEN hatten, mussten in knapp 5600 Fällen Beratungsstellen intervenieren, damit die Frauen die ihnen rechtlich zustehenden Hilfen erhielten – oder überhaupt davon erfuhren. „Diese hohe Zahl an Falschberatung und Rechtsverweigerung ist erschreckend. Wenn hilfsbedürftige werdende Mütter beinahe zwingend rechtliche Hilfe der Schwangerschaftsberatungsstellen benötigen, wirft dies ein beschämendes Licht auf die Jobcenter“, so Behrsing.

Mutter und Kind wohlmöglich durch Hartz IV-Sanktionen gestorben?

Saarbrücken – Nach dem Tod einer 36jährigen Brasilianerin und ihrem kleinen Kind am 12. Juli in Burbach fordert die Linksfraktion im Regionalverband Saarbrücken eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses. „Wir möchten die Erkenntnisse nicht nur aus den Medien erfahren, sondern umfassend direkt von der Verwaltung informiert werden“, fordert Fraktionsvorsitzender Jürgen Trenz in der „Saarländischen Onlinezeitung (SOZ)“. Nachdem einer Mutter aus Saarbrücken und ihrem Kind die Hartz IV-Leistungen gestrichen wurden, schien sich niemand mehr dafür interessiert zu haben, wie diese Familie ohne Geld für Miete, Heizung, Strom, Lebensmittel und Krankenversicherung überleben konnte. Nur rein zufällig, durch auffälliges Verhalten in der Öffentlichkeit, sei das Jugendamt auf die Frau mit ihrem Kind aufmerksam geworden. Die Toten waren in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Saarbrücken-Burbach gefunden worden. An keiner der beiden Leichen fanden sich Spuren von Gewalt. Da die Wohnung von innen verschlossen war, vermutete die Polizei den Selbsttod der Mutter.

Zum ersten Mal sei im Saarland eine Hilfebedürftige trotz Sozialsystem verstorben und dabei ein Kind möglicherweise verhungert, erklärt Dagmar Trenz, jugendpolitische Sprecherin der Linken. „Jetzt müssten alle hellwach sein und Lehren aus dieser Tragödie ziehen.“ In Speyer z.B. würden mittlerweile Hilfebezieher nach massiven Leistungskürzungen grundsätzlich persönlich aufgesucht, nachdem 2007 ein 20-jähriger psychisch kranker Mann verhungerte, weil ihm das Geld von der damaligen Arge gestrichen wurde. Ähnlich scheint es jetzt der Mutter mit ihrem kleinen Kind in Burbach ergangen zu sein.

Hartz IV-Bildungspaket: „Ungeheuerliche Drohung“ in Jobcentern

Bonn/Berlin –Vielen Eltern, die für ihre Kinder rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März Leistungen aus dem Bildungspaket beantragten, drohen die Jobcenter mit der kompletten Einstellung der Hartz IV-Leistungen. Insbesondere Eltern, die für ihre Kinder das gemeinsame Schulmittagessen oder die Fahrkarte zur Schule bezahlt haben, sehen sich nun damit konfrontiert, dass sie Nachweise erbringen müssen, von denen sie in den genannten Zeitraum überhaupt nichts wissen konnten, weil sie ein Ergebnis des Vermittlungsausschusses waren. Das Erwerbslosen Forum Deutschland und die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS) werfen Jobcentern „ungeheuerliche Drohungen“ vor, die bei betroffenen Angst und Entsetzen auslösen. Die Bundesagentur für Arbeit wird aufgefordert umgehend Weisungen an die Jobcenter zu erlassen, dass derartige Textbausteine nicht mehr verwendet werden dürfen. „Sollten Jobcenter tatsächlich die kompletten Leistungen einstellen, werden wir die Betroffenen juristisch unterstützen“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland. „“, „Hier wird stur nach Schema F ein unzutreffender Textbaustein eingesetzt, der Antragsteller verunsichert und abschreckt“, ergänzt Martin Künkler von der KOS.

Die KOS und das Erwerbslosen Forum Deutschland hatten Anfang April betroffene Eltern aufgefordert einen Antrag auf Bildung und Teilhabe zu stellen und dabei gleichzeitig das gemeinsame Schulmittagessen für die ersten drei Monate mit zu beantragen, falls dies in der Schule angeboten wird. Während ab 1. April Nachweise für Schulmittagessen erbracht werden müssen und kulturelle Teilhabe mit den Trägern direkt abgerechnet werden, galt dies für die Vergangenheit nicht. Das entsprechende Gesetz schreibt vor, dass pro Monat pauschal 26 Euro für das Mittagessen ausgezahlt werden und monatlich 10 Euro für Teilhabe erbracht werden.

Dennoch werden Eltern aufgefordert bis zu einem bestimmten Termin Nachweise zu vorzulegen, die gar nicht vorlegen können oder davon auch nichts wissen können. Die Schreiben sind mit einer entsprechenden Drohung versehen:
„Haben Sie zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen. Dies bedeutet, dass Sie und die mit Ihnen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten. In der Zeit, in der Sie keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalten, sind Sie nicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert.“(1)

Natürlich hat so eine Androhung vor Gericht keinen Bestand, aber sie verunsichert viele Eltern und hält sie wahrscheinlich in Zukunft davon ab, überhaupt noch etwas für ihre Kinder zu beantragen. In diesem Zusammenhang weisen beide Initiativen darauf hin, dass in vielen Kommunen das Bildungspaket immer noch nicht funktioniert und Eltern mit Geduld vertröstet werden.

(1) Beispielhaftes Schreiben eines Berliner Jobcenters: http://tinyurl.com/3pyzjor

Erwerbslosenverein Tacheles wirft Hartz IV-Jobcentern in Bayern und Baden-Württemberg vielfachen Rechtsbruch vor

Wuppertal – Harald Thomé, Vorsitzender des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles aus Wuppertal und Referent für Arbeitslosenrecht hat im Juni 2011 bei 135 Jobcentern in Bayern und Baden-Württemberg Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt.
Nach diesem Gesetz hat jeder Bürger einen Anspruch auf Weitergabe von amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Das IFG hat zum Ziel, das Vertrauen zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern zu stärken, indem öffentliches Verwaltungshandeln transparenter und nachvollziehbarer gemacht wird. Soweit die Theorie, die mit der Hartz IV-Realität nicht allzu viel gemein hat.

Harald Thomé hat sich zur Aufgabe gemacht, in Sachen Hartz IV behördliche Verwaltungsanweisungen ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen und somit das Behördenhandeln für Betroffene und deren Berater transparenter zu machen. Der Verein Tacheles hat 2006 bereits in Sachen IFG bundesweit Aufsehen erlangt, weil er gegen die Bundesagentur für Arbeit geklagt und sie dazu gezwungen hat, ihre internen Weisungen zum Arbeitslosengeld im Internet zu veröffentlichen.

Thomé hat im Juni 2011 bei 135 Jobcentern in Bayern und Baden-Württemberg Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt und beantragt, dass diese Verwaltungsanweisungen und Richtlinien zu den Unterkunftskosten, zum Bildungs- und Teilhabepaket, aber auch zur Erstausstattung von Wohnraum und Bedarfen bei Schwangerschaft und Geburt an ihn herauszugeben.
Solche Informationen sind nach dem IFG unverzüglich, spätestens aber innerhalb eines Monats, herauszugeben (§ 7 Abs. 5 IFG). Diese Monatsfrist ist jetzt abgelaufen und die Ergebnisse sind so katastrophal, dass sie veröffentlicht werden müssen:

In Bayern wurden 88 Anträge gestellt, in 58 Fällen wurde überhaupt nicht geantwortet (65,9 %), in 11 Fällen wurden die begehrten Unterlagen vollumfänglich herausgegeben (12,5 %), in 17 Fällen wurden teilweise oder unvollständige Unterlagen herausgegeben (19,3 %) und in 3 Fällen erbaten sich die Job-center eine Nachfrist.
In Baden-Württemberg wurden 47 Anträge gestellt, in 30 Fällen wurde nicht geantwortet (63,8 %), in 13 Fällen wurden die begehrten Unterlagen vollumfänglich weitergegeben (27,6 %), in 4 Fällen wurden teilweise oder unvollständige Unterlagen weitergegeben (8,5 %).

Demnach haben 88 Jobcenter trotz eindeutiger Rechtslage nicht einmal auf die Anfrage reagiert. „Bei 65,1 % der IFG-Anträge sind die Jobcenter ihren gesetzlichen Verpflichtungen auf Informationsweiter-gabe überhaupt nicht nachgekommen. Eine solch niederschmetternde Bilanz von Rechtsmissachtung ist leider bei Hartz IV-Behörden üblich“, resümiert Harald Thomé. „Anderseits haben sich auch einige Jobcenter unverzüglich gemeldet, die begehrten Unterlagen sofort weitergegeben und zuvorkommend verhalten, leider waren das deutlich zu wenige“, so Thomé weiter.

Thomé hat jetzt alle säumigen Jobcenter aufgefordert, bis Monatsende ihren Verpflichtungen nachzu-kommen. Sollte dies nicht erfolgen, wird er die betreffenden Jobcenter der Öffentlichkeit vorstellen und den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit Peter Schaar einschalten. „Wenn das auch nicht auf Resonanz trifft, werde ich die dann noch säumigen Jobcenter verklagen“, kündigt Thomé schon mal an, „denn es kann nicht sein, dass Jobcenter sich nicht geltendes Recht halten oder halten müssen“.

Hintergrund:
• IFG Auseinandersetzung mit der Bundeagentur für Arbeit: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2006/informationsfreiheitsgesetz-4.html
• Örtliche Richtlinien zum SGB II: http://www.harald-thome.de/oertliche-richtlinien.html
• Infomaterial zum IFG / Link: http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Infobroschueren/INFO2.pdf?__blob=publicationFile