NRW-Parteien verhindern Hartz-IV-Hearing im Düsseldorfer Landtag Düsseldorf – Im Düsseldorfer Landtag hat das Landtagspräsidium ein Hearing verhindert, das sich mit den existenziellen Problemen von Erwerbslosen in Nordrhein-Westfalen auseinander setzen wollte. Erwerbsloseninitiativen hatten dorthin mit Hilfe des Landtagsabgeordneten Rüdiger Sagel – ehemals bei den Grünen und heute Mitglied der Partei DIE.LINKE eingeladen. Doch die Düsseldorfer Politiker des NRW-Landtages möchten offenbar nicht an die von ihnen verursachten sozialen Verwüstungen erinnert werden und verhinderten das Hartz IV-Hearing indem Haus, wo erst kürzlich das „Aus“ aller unabhängigen Arbeitslosenberatungsstellen in NRW beschlossen wurde. „Es könne nicht die Aufgabe eines Bundeslandes sein kann, Arbeitslosenzentren zu fördern, die Bescheiden der staatlichen Argen widersprechen“ hatte der Sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion NRW, Norbert Post die Streichung der Fördermittel von 4,6 Millionen Euro zum 1. Oktober verteidigt. „Keine Rechte und Podium für Hartz IV-Bezieher, ist die Devise von NRW-Landespolitikern. Arbeitslose werden bekämpft, statt die desaströse soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die die herrschende Politik mit ihrer Agenda-Politik verursacht hat“, so Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland.
{youtube}u43IGJRWdyk{/youtube}Statt Arbeitslosigkeit zu bekämpfen werden Arbeitslose bekämpft
Dennoch, das mit Unterstützung des fraktionslosen NRW-Abgeordneten Rüdiger Sagel (DIE LINKE.) versuchte offene Hearing im Düsseldorfer Landtag fand nun unter eine Brücke neben dem Ladtag statt. „Das Ziel, Hartz IV-Betroffenen nach der anstehenden Schließung der Beratungsstellen und erschwerten Zugangsbedingungen zu den Sozialgerichten einen offiziellen und demokratischen öffentlichen Raum zu geben, um mit Experten über ihre existenziellen Probleme diskutieren zu können, sollte der herrschenden Politik die Schamröte ins Gesicht treiben lassen, wenn die Veranstalter jetzt nun genötigt werden, das Hartz IV-Hearing an einem derartigen Ort abzuhalten“, Martin Behrsing. Die Klagen über Verarmung, Zwangsumzüge, Ein Euro-Zwangsjobs oder Angst erzeugende und Existenzen bedrohende Sanktionen der ARGEn haben genauso deutlich zugenommen, wie die Klagen vor den Sozialgerichten, weil die staatlichen Ausgrenzungsmechanismen immer umfassender greifen. Exemplarisch berichteten Betroffene – für viele andere – über ihre eigenen Erfahrungen. So z.B. über den demütigenden Einsatz als Ein-Euro-Jobber, jahrelange systematische Verfolgung und Aushungerungsversuche einer ARGE gegen einen Hartz IV-Bezieher, oder die staatliche verordnete Verarmung einer Familie mit Stiefkindern, die daran fast auseinander gebrochen war und weitere Beispiele.
In der anschließenden Expertenrunde versuchte das Hearing, die Ursachen und Verfehlungen der Agenda-Politik aufzuzeigen. So etwa die Auswirkungen, der durch NRW-Sozialminister Laumann initiierten Streichung aller Mittel für NRW-Arbeitslosenberatungszentren (Martin Behrsing. Erwerbslosen Forum Deutschland), die Spaltung der Gesellschaft und der Abbau des Sozialstaates durch die Verfechter der Agendapolitik (Prof. Rainer Roth, Frankfurt), innerer Krieg u.a. auch durch die Sozialpolitik der Bundesregierung (Bundestagsabgeordnete Inge Höger) und die Entrechtung von Arbeitslosen (Prof. Helga Spindler, Essen). An der Diskussion nahmen auch Andreas Schmidt vom DGB NRW und die Friedensaktivistin und Hartz IV-Betroffene Ellen Diedrich teil. Moderiert wurde die Expertenrunde durch Andrej Hunko.
Die jüngsten Entwicklungen in der SPD waren für die Veranstalter der Hearings (Landtagsabgeordneter Rüdiger Sagel, Tacheles e.V. und Erwerbslosen Forum Deutschland) Zeichen, dass mit der Reaktivierung des früheren und zukünftigen Parteivorsitzenden der SPD, Franz Müntefering sowie die Nominierung des Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier die SPD die zaghaften Versuche einer Aufweichung der Agenda-Politik endgültig einen Riegel vorgeschoben hat. Sie ist somit zum Handlanger des herrschenden Kapitals geworden und kann nicht für sich in Anspruch nehmen, dass sie für soziale Gerechtigkeit steht. Würde sie für soziale Gerechtigkeit stehen, hätte sie verhindert, dass nunmehr Hartz IV-Bezieher unter eine Brücke ausweichen müssen, anstatt im Landtag zu diskutieren. „Mit den am Wochenende durch Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) erhobenen Missbrauchsvorwürfen durch Hartz IV-Bezieher reiht sich die SPD wieder in die „Hetzdebatte“ von Sat. 1und Bildzeitung ein und bleibt somit in der Tradition des Hartz IV-Hardliniers Wolfgang Clements (SPD). Der damalige Arbeits- und Wirtschaftminister hatte im Herbst 2005 Arbeitslosen parasitäres Verhalten vorgeworfen und ihnen massenhaften Sozialleistungsmissbrauch unterstellt“, so Rüdiger Sagel.