Gemeinsame Erklärung zum Hartz IV Hearing unter der Rheinkniebrücke

Düsseldorf am 12.September 2008 von
Erwerbslosen Forum Deutschland und Tacheles e.V.
Rüdiger Sagel, MdL, DIE.LINKE.NRW
Hartz IV ist Armut per Gesetz! – Schluss mit unsozialer Reformpolitik!

Vor nunmehr fast vier Jahren hatte die damalige Rot-Grüne Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder unter der Zustimmung von Union, FDP und der Mehrheit des Bundesrates den größten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland endgültig eingeleitet. Das Ungetüm wurde als Hartz IV bezeichnet und war der vorerst krönende Abschluss eines Maßnahmepakets zur angeblichen Modernisierung der Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, das am 16. August 2002 von dem damaligen Personalvorstand und Mitgliedes der Volkswagen AG, Peter Hartz, im Berliner Dom vorgestellt wurde. Vollmundig versprach der später wegen Untreue und Begünstigung des VW-Betriebsratschefs vorbestrafte VW-Manager, eine Halbierung der Arbeitslosigkeit in nur 3 Jahren. Doch in Wahrheit diente dieses Maßnahmepaket niemals den ArbeitnehmerInnen und Erwerbslosen, sondern war fester Bestandteil der AGENDA 2010, die sich nach dem erklärten Ziel der Europäischen Union im Jahr 2000 richtet. In der sogenannten Lissabon-Strategie wurde verabschiedet, die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Einzige Hinderungsgründe waren ArbeitnehmerInnen mit ihren störenden Löhnen und Rechten sowie die Belastung der Sozialkassen. Europa brauchte also eine soziale Demontage in allen Bereichen und das ließ sich nur verwirklichen, indem ArbeitnehmerInnen Rechte abgebaut wurden und ein Scheinabbau der Arbeitslosigkeit durch Niedriglöhne erreicht wurde. In Deutschland wurde dieses Ungetüm „Hartz IV“ getauft und zeigt sich inzwischen als sehr erfolgreiches Modell im Sinne des Kapitals und der Unternehmen. Allerdings wurden auch hier die Ziele weit verfehlt, denn der Staat subventioniert deren exorbitanten Gewinne, auf Kosten von ArbeitnehmerInnen und Sozialleistungsbeziehenden.

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit hat mit ca. 6 Mio. Arbeitslosen bundesweit nach wie vor ein dramatisches Ausmaß, kommt allerdings in der offiziellen Statistik nicht zum Ausdruck, weil etwa die Hälfte der Langzeitarbeitslosen im Hartz IV-Bezug herausgerechnet werden. Doch das Scheitern von Hartz IV veranlasst die herrschende Politik zu immer neuen Überlegungen, um aus Gründen des Lohndumpings Arbeits- und Zwangsdienste zu Hartz IV-Konditionen für die private Wirtschaft zu schaffen, wie neuere Studien aus dem Wirtschafts- und Finanzministerium in Berlin belegen. Ist das noch sozial, wenn so Arbeit geschaffen wird?

132 Euro im Monat sind genug für Hartz IV-Empfänger!

Zu diesem Schluss kamen die beiden Wissenschaftler vom Lehrstuhl für „Investment Banking“ der TU Chemnitz, u.a. Prof. Dr. Friedrich Thießen, in ihrer Untersuchung: „Die Höhe der Sozialen Mindestsicherung“. Demnach sind 351 Euro Regelsatz für einen Hartz IV-Empfänger einfach zu viel. Statt teurem Sprudelwasser reicht Leitungswasser, für Lebensmittel sind insgesamt 68 Euro im Monat genug und für Kultur muss 1 Euro monatlich ausreichen. Wer mehr haben will, muss zu jeder Bedingung und jedem Preis arbeiten gehen. Es passt nur zu gut, dass:
– Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) nur 3 Tage nach Veröffentlichung dieser Studie den Missbrauch von Hartz IV anprangert und stärkere Kontrollen ankündigt.
– der sog. Architekt der Agenda 2010 und Schröders Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier jetzt Kanzlerkandidat der SPD wird
– der ehemalige Arbeitsminister und SPD Vorsitzende Franz Münterfering – Zitat:„wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ am 10.Mai 2006 in "Die ZEIT"- wieder Parteichef der SPD werden soll.

Auch in NRW hat Hartz IV zu einer sozialen Katastrophe geführt. Mit ca. 1.050.000 ALG II -Beziehern ist die Langzeitarbeitslosigkeit auch 2008 nahezu genauso hoch wie 2005 zu Beginn von Hartz IV. Die Kinderarmut ist durch Hartz IV dramatisch gestiegen. Bundesweit werden über 2 Mio. Kinder und Jugendliche in Hartz IV-Verhältnissen tagtäglich von adäquater Schulbildung und gesunder Ernährung ausgegrenzt. Das System des "Fordern und Fördern" hat zwar mehr Repression, aber nicht mehr Beschäftigung gebracht. Nach einer aktuellen Studie haben lediglich 3,4% sämtlicher 1 Euro-Jobs zu einem Arbeitsverhältnis geführt, was sogar NRW-Sozialminister Laumann (CDU) zu der Erklärung veranlasste, dass das System der 1-Euro-Jobs gescheitert sei. Doch statt daraus die Konsequenz zu ziehen, verschärfen CDU/FDP das Vorgehen und sieht auch NRW dabei zu, dass so jährlich eine Milliarde Euro verbraten werden. Es gibt keine Anstrengungen von Seiten aller Parteien im Düsseldorfer Landtag, durch z.B. ein öffentliches Beschäftigungsprogramm, die Arbeitslosigkeit in NRW spürbar abzubauen. Die herrschende Politik will nicht nur an Hartz IV festhalten, sondern jetzt setzen CDU/FDP bei vielen sozialen Projekten getreu dem neoliberalen Motto, "Privat geht vor Staat", verstärkt den Rotstift an. So z.B. durch die von der Landesregierung geplante Einstellung der Fördermittel für die zahlreichen Arbeitslosenzentren und Beratungsstellen, die für viele Hartz IV-Betroffene eine wichtige Anlaufstelle darstellen und ihnen bei der Wahrnehmung ihrer Ansprüche halfen. „Es kann nicht die Aufgabe eines Bundeslandes sein, Arbeitslosenzentren zu fördern, die Bescheiden der staatlichen Argen widersprechen“, hat der sozialpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion NRW, Norbert Post, die Streichung der Fördermittel von 4,6 Millionen Euro zum 1. Oktober verteidigt.

In vielen NRW-Kommunen werden die Unterkunftskosten nach wie vor radikal gekürzt und Tausende gezwungen, ihre Wohnung aufzugeben oder von erheblich gekürzten Einnahmen zu leben. Sogar die Bundeswehr richtet Büros in den ARGEN NRW's ein, um arbeitslose Jugendliche verstärkt für den Kriegsdienst zu gewinnen. Hingegen wird ihnen das Recht auf eine eigene Wohnung verwehrt und sie werden bei Verstößen sofort gnadenlos sanktioniert.

„Keine Rechte und kein Podium für Hartz IV-Bezieher",
ist die Devise von NRW-Landespolitikern. Arbeitslose werden bekämpft, statt die desaströs soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die die herrschende Politik mit ihrer Agenda-Politik verursacht hat. Die Düsseldorfer Politiker des NRW-Landtages möchten offenbar nicht, an die von ihnen verursachten, sozialen Verwüstungen erinnert werden und alle Fraktionen, CDU, SPD, FDP und Grüne, haben gemeinsam das Hartz IV-Hearing in dem Haus verhindert, wo erst kürzlich das „Aus“ aller unabhängigen Arbeitslosenberatungsstellen in NRW beschlossen wurde.

Die Konsequenz kann nur heißen:
· Hartz IV muss weg, denn es ist der völlig falsche Ansatz, um den Problemen unserer Zeit zu begegnen.
· Es muss endlich Schluss mit unsozialen Reformen gegen Menschen in Deutschland sein.

Erwerbslosen Forum Deutschland und Tacheles e.V.
Rüdiger Sagel, MdL, DIE.LINKE.NRW