Bundespräsidentschaftskandidat Joachim Gauch: Eine unglückliche Entscheidung für Menschen in Armut

Bonn – Das Erwerbslosen Forum Deutschland hält die Entscheidung von Union, FDP, SPD und Grüne Joachim Gauck als Bundespräsidentschaftskandidat auszustellen für eine unglückliche Entscheidung. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob er das wichtige Thema, soziale Gerechtigkeit überhaupt ernst nimmt.

Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland:

„Wer Menschen, die bereits 2004 gegen die geplante Hartz IV-Gesetzgebung demonstrierten, als töricht und geschichtsvergessen bezeichnet und die Occupy-Bewegung mit seiner Kapitalismuskritik für unsäglich albern hält, muss sich fragen lassen, ob er wirklich ein Bundespräsident für alle werden kann. Wir haben in der Politik und Wirtschaft genügend Menschen die uns täglich zeigen, wie sehr sie unsere Armut ankotzt; einen arroganten Oberlehrer brauchen wir dann nicht auch noch als Bundespräsidenten. Gauck muss schon deutlich machen, dass ihm soziale Gerechtigkeit ein besonderes Anliegen ist. Auch wenn die wirtschaftliche Lage für Unternehmen besser scheint, bleibt die Lage für nahezu 10 Millionen Menschen seit 2005 unverändert arm, trotz mehr Jobs“.

Persilschein für Polizisten nach Todesschuss im Jobcenter?

Verfahrenseinstellung sorgt für Unmut bei Hinterbliebenen 

Knapp 9 Monate ist es her, dass Christy Schwundeck, eine Deutsche mit schwarzer Hautfarbe, am 19.05.2011 in den Räumen eines frankfurter Jobcenters unter ungeklärten Umständen von der Polizei erschossen wurde, nachdem sie zuvor einen Beamten erheblich mit einem Messer verletzt hatte.

Nach diesen tragischen Ereignissen hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamtin kürzlich lautlos eingestellt. Ihrer Ansicht nach hat die Beamtin bei dem Gebrauch ihrer Waffe richtig gehandelt.

Arbeitskreis spricht von “Ermittlungsinzest” 

Mitglieder des “Arbeitskreis Christy Schwundeck”, eine Bürgerinitiative, die gemeinsam mit Angehörigen der getöteten Frau an der restlosen Aufklärung des Vorfalls vom letzten Mai arbeiten, sprechen von einem “besonders schweren Fall von Ermittlungsinzest”. 

Wenn in einem öffentlichen Gebäude ein Mensch von der Polizei erschossen wird, dann müsse das auch öffentlich aufgeklärt werden. Im Hinblick auf die Tatsache, dass bei einem Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte ein Staatsanwalt gegen seine eigenen Beamten ermitteln muss, könne ein Staatsanwalt überhaupt nicht unparteiisch agieren. In solchen Fällen müsse vielmehr unbedingt ein Gerichtsverfahren stattfinden.

Wut und Trauer bis heute 

Frau Schwundeck hinterliess einen Ehemann und eine 12-jährige Tochter, ihr Bruder lebt in London, ihre Eltern in Nigeria. Ihr Tod durch eine Polizeikugel hat vor allem unter schwarzen Menschen in Frankfurt und darüber hinaus mehr als nur subtile Ängste ausgelöst.

Nicht nur die Familie, sondern auch Erwerbsloseninitiativen und afrikanische Verbände haben vom ersten Tag an ihr Interesse an der Aufklärung bekundet und stehen in Verbindung mit dem “Arbeitskreis Christy Schwundeck” um auf dem Laufenden zu bleiben. Einige Mitglieder des Arbeitskreises haben Ende letzten Jahres die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft eingesehen und sich ausführlich damit beschäftigt. Ihrer Aussage nach seien die Inhalte der Ermittlungsakte so unvollständig und widersprüchlich, dass man auch nach dem Lesen eigentlich garnichts wisse.

“Sowas kann man doch nicht einfach zumachen!” 

Peter Schwundeck, der Ehemann des Opfers, hat spontan angekündigt, dass er mit Unterstützung seines Rechtsanwaltes und des frankfurter Arbeitskreises Beschwerde einlegen und somit eine Eröffnung der Hauptverhandlung erzwingen will. Auch der Bruder von Frau Schwundeck hat nach längerer Überlegung inzwischen einen Anwalt beauftragt und wird sich dem Verfahren anschliessen.

Der Ehemann ist bestürzt, dass zu dem Verlust seiner Frau oben drauf auch noch die “ganze Kälte des Staatsapparates” käme. Niemand von offizieller Seite habe sich bei ihm entschuldigt oder sein Bedauern bekundet, wie man das in einem Rechtstaat eigentlich erwarten könne. Hilfe bekam er nach dem Tod seiner Frau nur von Privatpersonen, während er sich bei den Sozialbehörden einem regelrechten Spiessrutenlauf ausgesetzt sah und von Pontius nach Pilatus geschickt wurde als er einen Beerdigungskostenzuschuss beantragen wollte.

“Wegen 10 Euro Arbeitslosengeld wurde meine Frau erschossen und jetzt soll das nicht mal vor Gericht?” fragt Schwundeck, “Sowas kann man doch nicht einfach zumachen!” Er werde konsequent den Rechtweg gehen um die Umstände des Todes seiner Frau gerichtlich aufklären zu lassen, das sei er seiner Frau und deren Familie einfach schuldig.

Arbeitskreis Christy Schwundeck

 

Ermittlungen gegen Polizistin nach Todesschuss im Frankfurter Jobcenter eingestellt

 Frankfurt am Main – Gut neun Monate nach dem tödlichen Schuss auf Christy Schwundeck in einem Frankfurter Jobcenter sind die Ermittlungen gegen eine beteiligte Polizistin eingestellt worden. Die 29-Jährige habe die gewalttätige Hartz IV-Bezieherin abwehren wollen und in Notwehr gehandelt, so die Frankfurter Staatsanwaltschaft. Außerdem soll die Polizistin die Angreiferin mehrfach gewarnt haben und dass sie von ihrer Waffe gebrauchen machen werde.

 Bei dem Vorfall im Mai vergangenen Jahres war es in der Außenstelle für Wohnungslose und Menschen mit Suchtproblemen zuerst zu einer Auseinandersetzung um zehn Euro zwischen der 39-jährigen und dem Personal des Jobcenters gekommen. Danach sollen die Mitarbeiter des Jobcenters die Polizei zur Hilfe gerufen haben. Die Frau hätte einen der Beamten mit einem Messer in den Bauch gestochen haben und ihn verletzt haben. Daraufhin schoss die Kollegin des Beamten der 39-Jährigen in den Bauch an deren Folgen Christy Schwundeck starb. Nach dem Vorfall bleiben viele Fragen offen, die weder von Staatsanwaltschaft und dem Frankfurter Jobcenter bisher nicht beantwortet wurden. Wie konnte es dazu kommen, dass die Frau, die zehn Euro benötigte, diese nicht bekam und die Situation tödlich eskalierte.

Das betroffene Jobcenter wurde mittlerweile aufgelöst.

Bundesagentur für Arbeit will sich zukünftig vor Gericht von Anwälten in Hartz IV-Verfahren vertreten lassen

Eine dementsprechende Ausschreibung wurde angeblich vorgenommen

Essen – Am 10.September fand im letzten Jahr in Essen die 63. Tagung der Gebührenreferenten der Rechtsanwaltskammern statt. Das Gremium, das sich im Wesentlichen aus den Vorsitzenden der Gebührenabteilungen der Rechtsanwaltskanzleien zusammensetzt, trifft sich zweimal jährlich, um gebührenrechtliche Probleme aus der Gutachtenpraxis der Rechtsanwaltskanzleien zu diskutieren und sich über wichtige berufspolitische Fragen und die Entwicklung des Gebührenrechts in der Rechtsprechung auszutauschen. Generalthema der Tagung war die berufs- und gebührenrechtliche Relevanz der Ausschreibung von Anwaltsdienstleistungen. Dem Thema lag der Hinweis zu Grunde, dass die Agentur für Arbeit ihre anwaltliche Vertretung insbesondere in Hartz-IV-Verfahren europaweit ausschreibt.

 

Die Ausschreibung ist auf die Übernahme von gerichtlichen Verfahren durch  eine Anwaltskanzlei gerichtet und verfolgt das Ziel, mit der Kanzlei eine Rahmenvereinbarung auf Basis eines Pauschalpreises je Verfahren für die gerichtliche Vertretung abzuschließen. Allerdings enthält die Ausschreibung keine Anhaltspunkte, welchen Inhalt die Verfahren haben, wie umfangreich sie sind und wie viele Verfahren geführt werden sollen. Auch an die persönlichen Voraussetzungen des bietenden Rechtsanwalts werden erhebliche Anforderungen gestellt.

Es bleibt fraglich ist, ob die Ausschreibung als Aufforderung zur Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren verstanden und damit als Verstoß gegen das Gebührenunterschreitungsverbot des § 49b Abs. 1 BRAO gewertet werden muss. Dies ist zu bejahen, wenn davon auszugehen ist, dass auch bei Betragsrahmengebühren eine ermessensfehlerfreie Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens für jeden Einzelfall erforderlich ist.

Die Entscheidung der Frage, ob im gerichtlichen Verfahren jede Vereinbarung innerhalb des Rahmens möglich ist oder die jeweils angemessene Gebühr innerhalb des Rahmens die gesetzliche Gebühr ist, wurde allerdings nicht abschließend entschieden, sondern soll als Generalthema bei der nächsten Tagung behandelt werden.

Kostenlose Rechtsberatung?

Weiterhin streitig ist die Frage der berufs- und wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit kostenloser Rechtsberatung. Als überwiegende Meinung wurde auf der Tagung festgestellt, dass die reine kostenlose Rechtsberatung im Einzelfall grundsätzlich nicht berufsrechtswidrig sein dürfte, bei der Werbung mit kostenloser Rechtsberatung aber jeweils geprüft werden muss, ob ggf. ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vorliegt.

Jobcenter Flensburg: „Hartz-IV-Empfänger“ muss Gerichtsvollzieher mit Einzug von Forderungen beauftragen

Foto: S. Hofschlaeger pixelio.de

Foto: S. Hofschlaeger pixelio.de

Wie für Bedienstete in Verwaltung und Justiz Beschäftigung geschaffen wird

Von Malte Kühnert

Das Jobcenter Flensburg (vormals: ARGE Flensburg), das schon in der Vergangenheit wiederholt durch eigenartige Arbeitsweisen aufgefallen war, hatte vor kurzem einen Kontakt der besonderen Art: Obergerichtsvollzieher Werner S. musste nicht ausgeglichene Forderungen eines Empfängers von Grundsicherungsleistungen einziehen. Gläubiger bzw. Auftraggeber war der betroffene Kläger im unter dem 7. September 2010 auf www.elo-forum.net veröffentlichten Beitrag mit dem Titel „ARGE Flensburg: Zweifelhafte Methoden bei Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten“.

 

Nachdem das betreffende Urteil des SG Schleswig vom 20. Mai 2010, Aktenzeichen S 3 AS 1163/06, Rechtskraft erlangt hatte, reichte der Kläger unter dem 22. Juli 2010 einen Kostenfestsetzungsantrag über insgesamt 16,90 € beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ein. Hierbei wurden lediglich die verauslagten Porti, Aufwendungen für Ausdrucke bzw. Kopien mit 0,25 € pro Seite sowie Briefumschläge geltend gemacht, da der Zeitaufwand eines Leistungsempfängers, der seinen Prozess ohne anwaltliche Vertretung führt, im angeblichen Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland als nicht erstattungsfähig angesehen wird.

Am 31. August 2010 erging nach Prüfung durch den Beamten antragsgemäß ein Kostenfestsetzungsbeschluss über 16,90 €, in welchem ergänzend ausgeführt wurde, dass die Beklagte gehört worden wäre und eine Stellungnahme nicht abgegeben hätte.

 

Ob der anschließend unter dem 7. September 2010 veröffentlichte Beitrag auf PR-SOZIAL womöglich Grund dafür gewesen sein könnte, dass von der ARGE Flensburg am 4. Oktober 2010 Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt wurde, ist nicht bekannt.

Bekannt ist nur, dass Lars B., Erster Sachbearbeiter der dortigen Widerspruchsstelle, welcher anscheinend mit besonderem Eifer auftragsgemäß die Interessen seiner Dienstherrin vertritt und zudem gerne Hinweise erteilt („Ferner ist es dem Kläger angesichts der Vielzahl der brieflichen Korrespondenz, die er zu führen sich zur Gewohnheit gemacht hat, zuzumuten, sich mit preiswerten Briefumschlägen zu bevorraten.“, Auszug aus dem Schriftsatz vom 30. März 2009 an das SG Schleswig zum Verfahren S 7 AS 527/07, siehe nachfolgend), monierte, dass keine konkreten festsetzbaren Kosten nachgewiesen worden wären und – da der Kläger kein Rechtsanwalt sei – Pauschalen oder Schätzbeträge nicht geltend gemacht werden könnten, was der Kostenbeamte von Amts wegen hätte berücksichtigen müssen.

 

Es sei betont, dass dem Kostenfestsetzungsantrag vom 22. Juli 2010 hinsichtlich der für die während des Verfahrens S 3 AS 1163/06 angefertigten Schriftsätze und die in diesem Zusammenhang verwendeten Briefmarken bereits die entsprechenden Belege des Automaten beigefügt waren, aus denen – wie der Bürger weiß – Informationen zum Kaufdatum sowie die Höhe des Entgelts zu ersehen sind.

Warum soll ein „Hartz-IV-Empfänger“ den Kaufpreis für eine Briefmarke nachweisen? 

Anlass hierfür war eine vom 25. August 2009 datierte Mitteilung des Richters Eckhard P., dem damaligen Vorsitzenden der 4. Kammer und jetzigen Direktor des SG Schleswig, der in dem Verfahren S 4 SF 92/09 E Rechtsmissbrauch vermutete, weil die dort geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von insgesamt 16,65 € nicht spezifiziert und belegt worden wären. Gleichzeitig wurden dem Kläger, der damals Erinnerungsführer war, durch den Richter Verschuldenskosten in Höhe von 150,- € angedroht, sollte keine Rücknahme der Erinnerung erfolgen.

Es sei kurz angemerkt, dass das dortige Hauptsacheverfahren S 7 AS 527/07 die bei Leistungsträgern sehr beliebte und rechtswidrige Kürzung der Regelleistung wegen einer angeblichen Haushaltsersparnis bei einem Krankenhausaufenthalt betraf. Die ARGE Flensburg äußerte sich übrigens niemals zur eingereichten Klageschrift, woran das SG Schleswig sich auch nicht zu stören schien. Es ließ den Rechtsstreit anscheinend ohne weitere Bearbeitung bis zu einer späteren Entscheidung des Bundessozialgerichts liegen, und anschließend durfte die Beklagte den Kläger durch Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsaktes schnell noch klaglos stellen, so dass ein für die ARGE Flensburg nachteiliges Urteil vermieden werden konnte. Der Flensburger „Hartz-IV-Empfänger“ war jedenfalls der Auffassung, dass dieser „Service“ des SG Schleswig nicht mit einer Zahlung von 150,- € honoriert werden sollte und verzichtete mit dem Gefühl der Nötigung auf einen Restbetrag in Höhe von 6,65 €.

Ob die Kosten für die erfolgte „vereinfachte Zustellung“ der richterlichen Mitteilung – insbesondere in Zusammenschau mit der anteiligen Besoldung sowie den späteren Versorgungsansprüchen aller öffentlich Bediensteten für die Tätigkeit bei der Bearbeitung dieses Erinnerungsverfahrens – für den Steuerzahler nicht wesentlich höhere Belastungen verursacht und überhaupt noch in Relation zu dem vorgenannten Bagatellbetrag gestanden haben dürfte, möge der mündige Leser selbst entscheiden.

Hätte das Gericht dem Kläger aber dann nicht zumindest auch eine detaillierte Rechnung mit Einzelnachweisen über den Betrag von 150,- € erteilen müssen?

 

Bei den von Richter Eckhard P. mit Hinweis auf den § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 SGG (Sozialgerichtsgesetz) angedrohten Verschuldenskosten handelte es sich um den (pauschalen) Mindestbetrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die erste Instanz, hier folglich das Sozialgericht.

In der Kommentarliteratur wird diesbezüglich u.a. ausgeführt, dass es sich nach allgemeiner Meinung um eine Schadensersatzregelung handeln soll (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, Randnummer 1a zu § 192 SGG).

Weil es zudem schwierig sein kann, die durch das Verhalten des Beteiligten verursachten Kosten zu ermitteln, ist der jeweilige Mindestbetrag als Pauschgebühr ausgelegt worden, um eine einfache und praktikable Handhabung zu ermöglichen. Damit wird jedoch nicht ausgeschlossen, darüber hinausgehend Kosten zu berechnen, welche im Einzelfall nachweisbar sein müssen, wie z.B. Kosten für Richter und sonstiges Personal. Das Gericht setzt entweder die Pauschgebühr an, oder es bestimmt einen Betrag, den es nach § 202 SGG i.V.m. § 287 ZPO (Zivilprozessordnung) schätzt (vgl. erneut Leitherer: a.a.O., Randnummer 14 zu § 192 SGG).

Der Gesetzgeber wäre sicherlich gut beraten, endlich Regelungen zu schaffen, um dem Bürger, der seine Rechte ohne anwaltliche Vertretung vor Gericht geltend macht oder verteidigt, die Möglichkeit einzuräumen, entstandene Auslagen auf ebenso unkomplizierte Weise geltend machen zu können. Gegenwärtig wird regelrecht zur Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes, der für die Tätigkeit in sozialgerichtlichen Verfahren im Regelfall Rahmengebühren erhält und den Kaufpreis für jede einzelne Briefmarke selbstverständlich auch nicht durch Kopien belegen muss, gedrängt, weil andernfalls in Aussicht gestellt wird, hinterher – möglicherweise als Straf- oder Disziplinierungsmaßnahme – in einem „bürokratischen Kasperletheater“ mitspielen zu müssen, welches – wie vorliegend beim Kläger – ggf. noch durch pauschale oder geschätzte Schadensersatzzahlungen an das Gericht finanziert werden soll.

Allerdings dürfte es bei einer Neuregelung auch schwieriger werden, der Öffentlichkeit das Bild eines angeblich so klagefreudigen Leistungsempfängers zu präsentieren, der dem Steuerzahler – insbesondere wegen der unzähligen Klageverfahren vor deutschen Sozialgerichten, welche in Zusammenhang mit „Hartz IV“ stehen – zur Last fiele, weil für häufig unberechtigte Ansprüche doch gerne Prozesskostenhilfe beansprucht würde. Wie es scheint, werden Sündenböcke benötigt, die herhalten sollen, um die staatliche Unterstützung, auf die viele unkundige Leistungsempfänger zur Wahrung ihrer Interessen unbestritten auch angewiesen sein dürften, zukünftig stärker eindämmen und ergänzend die Einführung von Gebühren für sozialgerichtliche Verfahren hoffähig machen zu können.

Es sei noch kurz erwähnt, dass der in diesem Artikel betroffene Kläger allein im Monat Dezember 2011 elf (!) Kostenfestsetzungsanträge in doppelter Ausfertigung beim Urkundsbeamten in Schleswig einreichen durfte, wobei für sämtliche Verfahren insgesamt ein Betrag von 79,50 € geltend gemacht wurde. Inzwischen wurde das Gericht durch den Ersten Sachbearbeiter der Widerspruchsstelle im Jobcenter Flensburg um Überprüfung gebeten, ob die vom Kläger geltend gemachten Kosten für seine eigenen Kopien ggf. nicht noch abzusetzen wären. Anscheinend ist das Jobcenter Flensburg der Auffassung, dass der Leistungsempfänger keine eigenen Prozessakten führen durfte, um diese bei einer mündlichen Verhandlung mit sich führen zu können.

Die Gebühren für eine anwaltliche Vertretung in den betreffenden sozialgerichtlichen Verfahren, welche übrigens überwiegend die Frage der Angemessenheit von Wohnraum und die damit verbundenen Kosten für Unterkunft und Heizung in der Fördestadt zum Gegenstand hatten, hätten nach überschlägiger Schätzung mehrere tausend Euro betragen. Es darf wohl davon ausgegangen werden, dass das Jobcenter Flensburg diese Kosten ohne großen Widerstand übernommen hätte.

Zum Thema Kosten für Unterkunft und Heizung wird übrigens noch ein sehr umfangreicher Artikel, auf welchen nicht nur die Stadt Flensburg als Kostenträger gespannt sein darf, erscheinen. Es ist beabsichtigt, über das gesamte Geschehen und die Zusammenhänge hinter dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 2009, Aktenzeichen B 4 AS 50/09 R, zu berichten, um gewisse Arbeitsweisen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und insbesondere den Leistungsempfängern nach dem SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) und SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) in der Fördestadt die Augen zu öffnen. Es sei angemerkt, dass dem Verfasser selbstverständlich bekannt ist, dass nicht nur Hilfebedürftige die Seiten von www.elo-forum.net besuchen.

Urkundsbeamter ändert Entscheidung vom 31. August 2010 über 16,90 € nicht 

In der anderen Sache wurde dem Kläger und dortigen Erinnerungsgegner unter dem 18. Oktober 2010 erfreulicherweise mitgeteilt, dass der am 4. Oktober 2010 eingelegten Erinnerung der ARGE Flensburg gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom Kostenbeamten nicht abgeholfen und die Sache der 2. Kammer zur Entscheidung vorgelegt wurde. Gleichzeitig sollte der Kläger eine Stellungnahme abgeben.

Am 30. Oktober 2010 übersandte dieser dem Gericht deshalb einen Kaufbeleg vom 25. November 2005 über den Kauf des benutzten Druckers, damit die Absetzung für Abnutzung und der sich rechnerisch ergebende Anteil pro ausgedruckter Seite während des Vor- und Klageverfahrens von der Beklagten bzw. Erinnerungsführerin ermittelt werden könne. Gleichzeitig wurde der Hinweis gegeben, dass fehlende Parameter für die Berechnung auf Wunsch gerne nachgeliefert würden. Schließlich hatte der Kläger den Drucker auch für außerhalb des Verfahrens gefertigte Schriftsätze genutzt.

Zudem wurden sechs Belege über den Kauf von Druckerpatronen in den Jahren 2006 bis 2008 eingereicht, um der ARGE Flensburg die Möglichkeit zu geben, die Kosten für die Tinte jeder einzelnen Seite ermitteln zu können. Ergänzend gab der Kläger bzw. Erinnerungsgegner den Hinweis, dass die Füllmenge der jeweiligen Druckerpatronen beim Hersteller erfragt werden müsse und die jeweiligen Buchstaben der einzelnen Schriftsätze unbedingt in die mathematischen Berechnungen mit einfließen sollten. Genügend Zeit für solche Tätigkeiten im Haus der ARGE Flensburg schien offensichtlich vorhanden zu sein…

Der Kläger fragte sogar noch nach, ob die Möglichkeit bestünde, die Jahresabrechnungen 2006 bis 2008 seines Stromanbieters direkt am Dienstsitz der Beklagten abzugeben, damit die anteiligen Energiekosten pro ausgedruckter Seite ermittelt werden könnten. Dies hatte den Hintergrund, dass nicht noch weitere Porti aus den Grundsicherungsleistungen des Klägers zur Finanzierung des Erinnerungsverfahrens aufgewendet werden sollten, die nicht mehr erstattet worden wären. Außerdem hätte sich die Beklagte die Rechnungen dann auf eigene Kosten ablichten können.

 

Bedauerlicherweise blieb die Bitte um eine entsprechende Mitteilung der Erinnerungsführerin ungehört…

Mangelnde Sorgfalt bei der Bearbeitung führt zu (teilweisem) Erfolg der von der Beklagten eingelegten Erinnerung

Unter dem 25. Februar 2011 erging unter dem Aktenzeichen S 2 SF 125/10 E ein Beschluss, mit welchem der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 31. August 2010 abgeändert und der Erstattungsbetrag mit 15,90 € festgesetzt wurde.

Die zuständige Richterin Evelyn B. war in diesem Fall offensichtlich der Vernunft gefolgt und dabei zu der Erkenntnis gekommen, dass der geltend gemachte Aufwendungsersatz offensichtlich in einem angemessenen Verhältnis zu den entstandenen Sachkosten gelegen haben dürfte. Zudem gab sie den Hinweis, dass Schriftsätze einschließlich Anlagen mit einer Mehrfertigung auch für den Prozessgegner bei Gericht einzureichen wären, andernfalls Kopierkosten nach Abschluss des Verfahrens mit 0,50 € pro Seite in Rechnung gestellt würden.

Dem Verfasser ist nicht bekannt, ob die Erinnerungsführerin, die sich zwischenzeitlich in Jobcenter Flensburg umbenannt hatte, womöglich der Auffassung gewesen sein könnte, dass die vom Erinnerungsgegner geltend gemachten 0,25 € pro Seite demgegenüber höhere Kosten darstellen würden.

Leider kam die Richterin auch zu der Auffassung, dass die beiden Blanko-Zuweisungsbescheide vom 8. März 2006 (vgl. hierzu den Beitrag vom 7. September 2010) nicht hätten kopiert werden müssen, weil die Originale dem Kläger vorgelegen hätten und eine weitere Kopie für die eigenen Unterlagen als entbehrlich erachtet würde. Dass die beiden Original-Zuweisungsbescheide (1. und 2. Ausfertigung) dem Kläger von der Beklagten lediglich zur Weitergabe an die stadteigene Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Flensburg mbH (bequa), dem Maßnahmeträger, ausgehändigt wurden, blieb unberücksichtigt.

Das Anfertigen von Kopien für die Akte des Klägers war natürlich notwendig, weil die Originale innerhalb weniger Tage nach Erhalt weitergereicht werden mussten und somit gar nicht beim Kläger verblieben waren. Ohne eigene Kopien wäre überhaupt kein Nachweis über den ursprünglichen Blanko-Zustand der betreffenden Zuweisungsbescheide möglich gewesen, denn später wurde dem Kläger von der bequa lediglich eine „ergänzte“ Version einer der beiden Bescheide zurückgegeben, womit ein Nachweis über den ursprünglichen Zustand wohl kaum hätte geführt werden können.

Auch waren die bei Gericht eingereichten Kopien von den Ablichtungen des Klägers gefertigt worden. Die Originale wären bei Einreichen eines unter dem 5. September 2006 datierten Schriftsatzes für das Gericht zudem gar nicht mehr in der ursprünglichen Fassung mit den „Leer-Inhalten“ vom 8. März 2006 existent gewesen, weil darin am 19. Juni 2006 durch den Träger „Ergänzungen“ vorgenommen wurden. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen im Urteil des SG Schleswig vom 20. Mai 2010, Aktenzeichen S 3 AS 1163/06.

Das Kopieren beider Original-Zuweisungsbescheide war selbstverständlich auch erforderlich, weil der Kläger nicht wissen konnte, welcher der zwei Bescheide ihm später mit „Ergänzungen“ des Maßnahmeträgers ausgehändigt werden würde. Da Unterschriftenzüge niemals zu 100% identisch sind, ergab sich folglich auch die Notwendigkeit, beide Originale – bestehend aus jeweils zwei Seiten – zu kopieren, um für den nachträglich „ergänzten“ Bescheid, der schließlich an den Kläger zurückgegeben wurde, in jedem Falle auch den dazugehörigen „Blanko-Bescheid“ bei Gericht vorlegen zu können.

Wären der ARGE Flensburg die nachträglich vorgenommenen Veränderungen im Verlauf des Hauptsacheverfahrens nicht doch noch „zufällig“ eingefallen, hätte man zwar notfalls ein graphologisches Gutachten einholen können, aber nach Ansicht des Klägers war das Anfertigen von Kopien im Beisein eines Zeugen kostengünstiger als eine solche Maßnahme.

Selbstverständlich soll hier völlig ausgeschlossen werden, dass ein Aufdecken der Arbeitsweisen der Beklagten womöglich nicht erwünscht gewesen und dies dadurch zum Ausdruck gebracht worden sein könnte, dass ausgerechnet die Kopien, die letztlich dazu führten, dass die ARGE Flensburg überführt werden konnte, als nicht erstattungsfähig erachtet wurden…

Jobcenter Flensburg ist bockig und wartet lieber auf den Gerichtsvollzieher

Nachdem der Beschluss vom 25. Februar 2011 dem Kläger am 2. März 2011 zugestellt worden war und davon ausgegangen werden konnte, dass auch das Jobcenter Flensburg eine entsprechende Ausfertigung erhalten hatte, blieb die entsprechende Zahlung allerdings aus.

Unter dem 6. April 2011 erinnerte der Kläger per E-Mail u.a. an den Ausgleich der noch offenen Zahlungsverpflichtung in Höhe von 15,90 € nebst der Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, da andernfalls eine vollstreckbare Urkunde zum Zwecke der Einleitung von Zwangsmaßnahmen bei Gericht angefordert werden würde.

Am 26. April 2011 teilte der Kläger dem SG Schleswig dann mit, dass seine zuvor gesendete E-Mail im Jobcenter Flensburg ignoriert worden sei und deshalb noch eine vollstreckbare Ausfertigung notwendig wäre, um den Gerichtsvollzieher mit dem Einzug der Forderung beauftragen zu können. Eine Woche später lag dem Kläger dann die vollstreckbare Ausfertigung vor.

Da die Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 882a ZPO erst nach Ablauf von vier Wochen nach Anzeige der Vollstreckungsabsicht beginnen darf und natürlich nicht auszuschließen war, dass die E-Mail vom 6. April 2011 den Schuldner womöglich nicht erreicht habe könnte, überbrachte der Kläger bzw. Gläubiger am 16. Mai 2011 persönlich die Anzeige der Vollstreckungsabsicht aus dem Beschluss des SG Schleswig vom 25. Februar 2011 sowie einem weiteren vollstreckbaren Titel aus einem anderen Verfahren, der über 9,25 € nebst entsprechender Verzinsung lautete. Da die Geschäftsführerin Claudia R. abwesend zu sein schien, ließ sich der Kläger den Empfang über die Mitteilung bezüglich der beabsichtigten Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen von der Vorzimmerdame bestätigen und verabschiedete sich wieder.

Obwohl die schriftliche Ankündigung für beide ausstehenden Forderungen eine letzte Frist bis zum 20. Juni 2011 setzte und folglich einer Schonfrist von fünf Wochen entsprach, blieb das Jobcenter Flensburg uneinsichtig und zahlte immer noch nicht.

Am 13. Juli 2011 sah sich der Kläger dann schließlich veranlasst, den zuständigen Gerichtsvollzieher mit dem Einzug beider Forderungen sowie dem gleichzeitigen Beitreiben der Kosten für die Zwangsmaßnahme zu beauftragen.

Unter dem 9. August 2011 wurde dem Girokonto des „Hartz-IV-Empfängers“ dann erfreulicherweise ein Betrag in Höhe von insgesamt 26,37 € gutgeschrieben, der vom anfangs erwähnten Obergerichtsvollzieher Werner S. stammte.

Mit Hinweis auf die anstehende Veröffentlichung dieses Artikels wurde das Jobcenter Flensburg übrigens letztmalig am 31. Januar 2012 um eine Stellungnahme gebeten, ob der „gesparte“ Euro aus dem Erinnerungsverfahren S 2 SF 125/10 E dafür genutzt wurde, die Gebühren, welche für die Tätigkeit des Obergerichtsvollziehers angefallen sein dürften, zu begleichen. Eine Erwiderung steht bis zum heutigen Tage bedauerlicherweise aus…