Viele erwerbslose Eigenheimbesitzer könnten jetzt ein böses Erwachen erleben
Bonn/Hamburg. Das Erwerbslosen Forum Deutschland betrachtet die gestrigen Entscheidungen des Bundessozialgerichts mit sehr gemischten Gefühlen. Begrüßt wurden die Entscheidungen zu den Kosten der Unterkunft bei Mietern und beim Umgangsrecht. Nach Ansicht der Initiative könnten hier erhebliche Mehrkosten auf die Kommunen zu kommen. Für viele erwerbslose Eigenheimbesitzer könnte die Entscheidung ein böses Erwachen bedeuten.
Mit der gestrigen Entscheidung zur Verpflichtung zur Verwertung selbstbewohnten Eigentums hat das höchste Gericht nach Ansicht der Hamburger Rechtsanwältin Heide Flügge und dem Erwerbslosen Forum Deutschland einen Paradigmenwechsel vorgenommen, der sich zu einem gigantischen Problem für viele Eigenheimbesitzer entwickeln könnte. Der Begriff der "Angemessenheit" von Wohneigentum wird jetzt schlicht anders bewertet als vom früher zuständigen Bundesverwaltungsgericht. Das Bundessozialgericht hat sich dafür ausgesprochen, dass ein Eigenheim, welches von bis zu 2 Personen bewohnt wird, nur 80 qm messen dürfe. Ein mit 3 Personen bewohntes Eigenheim dürfe 100 qm bemessen. Für von vier und mehr Personen bewohnte Eigenheime ändert sich gegenüber der bisherigen Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts nichts.
“Eigenheime verfügen meist über eine Wohnfläche von mehr als 80 qm oder auch 100 qm. Das ist einfach üblich. Das kann daran liegen, dass viele Menschen ihre Eigenheime für ihre Familien gebaut oder erworben haben. Wenn die Kinder dann ausgezogen sind, und nur noch die Eltern dort leben, noch keine 65 sind und arbeitslos werden, unter Hartz IV fallen, dann müssen sie das Grundstück verkaufen. Und von dem Verkaufserlös müssen sie dann erstmal ihren Lebensunterhalt bestreiten, bis alles verbraucht ist.
Das passiert nach dieser neuen Rechtsprechung des BSozG auch, wenn den Betroffenen für ihre Eigenheime kaum noch Wohnkosten entstehen, die Kommunen sich also glücklich schätzen sollten, über den Umstand, dass so wenig Kosten der Unterkunft zu leisten sind“, so die Hamburger Rechtsanwältin Heide Flügge.
“Viele erwerbslose Menschen werden jetzt ihre Wohnungen zu jedem Preis zum Verkauf anbieten müssen und werden das ALG II nur noch darlehenweise bekommen bis der Verkauf gelungen ist. Die Folge wird eine massive Überschuldung gerade von älteren Erwerbslosen sein. Diese können dem nur entgehen, indem sie das Haus womöglich zu einem Spottpreis verscherbeln. Hier muss der Gesetzgeber schnell handeln, damit das nicht passiert“, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.
Begrüßt wurde hingegen die Entscheidung zu den Kosten der Unterkunft. Damit werden die Kommunen zu prüfen, welche Wohnkosten an dem jeweiligen Ort tatsächlich angemessen sind. „Damit werden erhebliche Mehrkosten auf die Kommunen zukommen, da damit auch die Nebenkosten verbunden sind. Allerdings sehen wir hier die Gefahr, dass die gestrige Entscheidung viele Vermieter und Energieversorger zum Anlass nehmen werden, um diese Kosten zu erhöhen. In der Folge müssten viele Menschen aus den unteren Lohngruppen ergänzendes ALG II beantragen, da ihr Gehalt nicht mehr reichen wird“, so Martin Behrsing.
Heide Flügge und Martin Behrsing betrachten die Entscheidung zum Umgangsrecht als eine Verschlechterung für Kinder, da nur mit wenigen Ausnahmen erhöhte Kosten geltend gemacht werden können. Auch hier sei das BSozG deutlich hinter die Regelungen der früheren Sozialhilfe zurückgefallen. Insgesamt wurden die Entscheidungen als nicht sehr mutig bezeichnet.