Eklat wegen Bürgerantrag des Erwerbslosen Forum Deutschland und Ein-Euro-Jobs
Bonn – Für einen Eklat sorgte die Vorsitzende des Sozialausschusses (22.04.), Barbara Ingenkamp (SPD) als über einen Bürgerantrag – »Öffentliche Beschäftigung statt Ein-Euro-Jobs« – des Erwerbslosen Forum Deutschland entschieden werden sollte. In einer Ad-hoc-Abstimmung sorgte sie mit der Stimmenmehrheit von CDU und SPD dafür, dass ein zuvor in Aussicht gestelltes Rederecht der Initiative unbedingt verhindert wurde. Somit war der Weg frei, um den Empfehlungen der Verwaltung zu folgen, die in einer Stellungnahme die Erfolge der Ein-Euro-Jobs der ARGE Bonn »schönmalerisch« verteidigt hatte. Das Erwerbslosen Forum Deutschland bezeichnete das Vorgehen als eindrucksvolle Demonstration eines parteipolitischen Interessenkalküls, indem die Interessen von Bürgern krass missachtet werden.
(Diskutieren Sie mit im Forum)
In ihrem Bürgerantrag hatte die Initiative die Umwandlung aller Ein-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gefordert und ein Rechenmodell der Finanzierung vorgelegt. Mehrkosten für die Stadt Bonn wären nicht entstanden. Nur die Träger hätten zukünftig auf die großzügigen Pauschalen der ARGE verzichten müssen. Dieser Antrag wurde im März vom Bürgerausschuss wegen Nichtzuständigkeit in den Sozialausschuss verwiesen. Dem Erwerbslosen Forum Deutschland wurde in der vergangenen Woche die Möglichkeit eines Rederechts im Sozialausschuss mitgeteilt und von ihm bestätigt.
Als die Ausschussvorsitzende Ingenkamp den Bürgerantrag aufrief kam sie ohne Umschweife sofort auf die Empfehlungen der Verwaltungen und erteilte den Mitgliedern des Sozialausschusses das Wort, ohne mitzuteilen, dass sie dem Erwerbslosen Forum Deutschland nicht das Wort erteilen will. Dies stieß beim Sozialpolitischen Sprecher der Grünenfraktion, Florian Berger auf heftige Kritik. Ingenkamp argumentierte, dass im Sozialausschuss ein Rederecht für Bürger nicht vorgesehen ist. Als Berger ihr das Schreiben vorlegte, indem darauf verwiesen wurde, dass ein Rederecht eingeräumt werden kann, verwies sie auf die »Kann-Bestimmung« und ließ spontan abstimmen, ob ein Rederecht eingeräumt werden soll. Die Fraktionen der Grünen und der FDP zeigten sich darauf hin verärgert. Florian Berger bezeichnete den Vorgang als »Akt der Unhöflichkeit» und zeigte wenig Verständnis dafür, dass man das Erwerbslosen Forum Deutschland zuvor drei Stunden warten ließ, ohne vorher einen Hinweis zu geben, dass die Vorsitzende nicht vor hatte, das Rederecht zu erteilen. Die Mitglieder des Erwerbslosen Forum Deutschland verließen darauf hin unter Protest die »demokratische Veranstaltung«.
Dazu Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland: »Wir sind über das Prozedere empört und haben wenig Verständnis dafür, dass man uns keine Gelegenheit geben wollte unseren Antrag zu verteidigen und die Argumente der Verwaltung zu entkräften. Wenn die Politik so mit Bürgern umgeht, muss sie sich nicht wundern, dass inzwischen jeder vierte Mensch in Deutschland kein Vertrauen mehr in unser demokratisches System hat. Wir gewinnen auch den Eindruck, dass es nicht erwünscht war unsere guten Argumente für die Umwandlung von Ein-Euro-Jobs in reguläre Jobs zu hören. Wir hatten natürlich vorher Befragungen bei vielen Ein-Euro-Jobbern durchgeführt und mussten feststellen, dass die Verwaltung und ARGE dem Sozialausschuss schlichtweg falsche Informationen geliefert haben. Bonn unterscheidet sich bei den Erfolgen von Ein-Euro-Jobs nicht von den vernichtenden Ergebnissen der Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB).
Wir fragen uns allerdings, ob es hier nicht Interessenkollisionen der Politiker mit den Profiteuren der Arbeitslosigkeit gibt. Anders können wir uns die mangelnde Bereitschaft der ernsthaften Auseinandersetzung nicht erklären«.
Anlass für den Bürgerantrag war die vernichtende Wirkungsstudie zu den Arbeitsgelegenheiten des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), die den Ein-Euro-Jobs bescheinigte, dass von ihnen kaum ein Effekt ausgehe, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Durch die Teilnahme an diesen Ein-Euro-Jobs würden sich sogar die Chancen der betroffenen Menschen verschlechtern. In ihrem Antrag hatte das Erwerbslosen Forum Deutschland beispielhaft vorgerechnet, dass aus der Kombination Hartz IV-Leistungen, den von der Bundesagentur geleisteten Pauschalen an die Träger und einer geringfügigen Abgabe der Ein-Euro-Job-Anbieter Bruttolöhne in Höhe von 10,80 je Stunde gezahlt werden könnten. »Statt Arbeitskräfte umsonst zu bekommen und zusätzlich großzügige Pauschalen der Bundesagentur für Arbeit zu bekommen, hätten sie sich mit ca. 200 Euro pro Beschäftigten beteiligen müssen. Träger hätten sich auch nicht rausreden können, dass mit dem Wegfall dieser Arbeitskräfte ihr Betrieb zusammenbrechen würde, da die Arbeiten ja nur zusätzlich sein dürfen«, so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland«.
B E F R A G U N G:
Bei den Befragungen des Erwerbslosen Forum Deutschland unter Ein-Euro-Jobber bei den Trägern (unter anderem auch die vier größten Träger Stadtwerke Bonn, Diakonie, SKM und VFG) war unter anderem herausgekommen:
Die Ein-Euro-Jobber sahen mehrheitlich für sich keine Perspektive durch diese Maßnahme in Arbeit zu kommen.
– Das Betriebsklima wurde dennoch mehrheitlich als gut bezeichnet
– Echte Qualifizierungen gab es nur bei den wenigsten Trägern. So wird häufig die Maßnahme an sich als Qualifizierung bezeichnet oder von den Teilnehmern verstanden. Bei den Stadtwerken sei die Qualifizierung so speziell, dass sie für den normalen Arbeitsmarkt nicht verwertbar sei. Einige Träger hingegen bieten Qualifizierungsanteile an, die positiv und für den Arbeitsmarkt verwendbar bewertet wurden.
– Eine Beschwerdestelle in der ARGE war allen Befragten unbekannt. Sie wurden auch nicht darauf hingewiesen.
– Die Betreuung durch ARGE-Mitarbeiter wurde als mangelhaft bewertet.
Die Befragung hat nicht den Anspruch wissenschaftlichen Kriterien zu genügen, da viele Träger der Arbeitsgelegenheiten nicht bekannt sind, bzw. eine Befragung dort kaum möglich ist. Sie gibt aber ein Stimmungsbild und deckt sich mit den Aussagen der Studie.