Union will Geringverdiener bestrafen

muellst0Mindestens 200 EUR volle Anrechnung auf ALG II

Berlin/Bonn. Die Union erwägt die Hinzuverdienstmöglichkeiten von ALG II-Empfänger stärker einzuschränken, nachdem diese im Herbst 2005 etwas verbessert wurden. Ähnlich wie Bundesarbeits- und Sozialminister Franz Müntefering (SPD) sollen nach den Plänen der Union die Hinzuverdienstmöglichkeiten stärker geprüft werden. Dies sagte Arbeitsmarktexperte Stefan Müller (CSU) gegenüber der FTD. „Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass bis zu 200 Euro angerechnet werden müssen", sagte Müller, der zusammen mit Vertretern des Bundes, der Länder und Fraktionen in einer von Müntefering geführten Arbeitsgruppe zur Reform des Niedriglohnsektors sitzt. "Es muss für Arbeitslosengeld II-Empfänger ein Anreiz geschaffen werden, einen höher bezahlten Job anzunehmen." Das Erwerbslosen Forum Deutschland betrachtet dies als Bestrafung von Geringverdienern.

Nach den bisherigen Regelungen können Hartz IV-Empfänger 100 EUR anrechnungsfrei behalten. Beträge ab 100 EUR werden zu 80% auf das ALG II angerechnet. Allerdings können keine zusätzlichen Werbungskosten geltend gemacht werden. Der Bundesarbeitsminister und die Union unterstützen damit einen Vorschlag des Sachverständigenrates, wonach die ersten 200 Euro, die ein Hartz-IV-Empfänger zusätzlich verdient, auf die Sozialleistung angerechnet werden sollen. In zwei Wochen wollen die Arbeitsmarktexperten der großen Koalition über den Vorstoß beraten. Der Sachverständigrat hatte kritisiert, dass zu viele ALG II-Empfänger aufstockendes ALG-II erhielten und somit keinen Anreiz zur Aufnahme einer regulären Beschäftigung hätten.

Das Erwerbslosen Forum Deutschland zeigte sich gegenüber den Vorschlägen von Müntefering und Müller wenig begeistert. Nach Ansicht der Initiative gehen sowohl der Sachverständigenrat als auch die Arbeitsmarktexperten von völlig falschen Voraussetzungen aus. Dies würde unterstellen, dass der Arbeitsmarkt genügend offene Stellen zur Verfügung hätte. De facto sind viele der so genannten Minijobs aber schon heute der Niedriglohnsektor, den die große Koalition und Vertreter der Wirtschaft vehement einfordern. Diese Unternehmen lassen sich den Niedriglohn aber gut subventionierenden", sagte Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland in Bonn.

Die Initiative empfindet solche Forderungen als Bestrafung von Geringverdienern. Diese würden wenn sie könnten lieber eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, wenn es sie geben würde und Menschen davon ausreichend leben könnten. Besser wäre es über die Abschaffung dieser Billigjobs nachzudenken und stattdessen einen Mindestlohn einzuführen. Damit würde für viele Unternehmen dieser subventionierte 'Billigstlohnsektor' unattraktiv werden und dies führt zu mehr Beschäftigung. Die Erfahrungen unser europäischen Nachbarn zeigen, dass der immer propagierte wirtschaftliche Untergang nicht eingetreten ist. Im Gegenteil stehen viele Länder im Vergleich wesentlich besser da", so Behrsing.